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steht – für ‚ein Mann‘, wie es ein Mexicaner oder Caraibe ausdrücken würde“.[1] Den Ansichten einer grossen und an Anhängern noch zunehmenden Philologenschule zufolge trägt jede Sprache Merkzeichen ihrer langsamen und allmählichen Entwickelung an sich. Dasselbe ist der Fall mit der Kunst zu schreiben, da die Buchstaben Rudimente bildlicher Darstellungen sind. Es ist kaum möglich, Mr. M’lennan’s Werk[2] zu lesen, ohne zuzugeben, dass fast alle civilisirten Nationen noch immer gewisse Spuren derartiger roher Gewohnheiten, wie des zwangsweisen Gefangennehmens der Weiber, beibehalten. Welche Nation des Alterthums, frägt derselbe Schriftsteller, kann angeführt werden, welche ursprünglich monogam gewesen wäre? Die ursprüngliche Idee der Gerechtigkeit, wie sie sich durch das Gesetz des Kampfes und anderer Gebräuche zeigt, deren Spuren noch jetzt übrig sind, war gleichfalls äusserst roh. Viele noch jetzt existirende abergläubische Züge sind die Ueberbleibsel früherer falscher religiöser Glaubensansichten. Die höchste Form der Religion – die grossartige Idee eines Gottes, welcher die Sünde hasst und die Gerechtigkeit liebt – war während der Urzeiten unbekannt.

Wenden wir uns jetzt zu der andern Form von Beweisen: Sir J. Lubbock hat nachgewiesen, dass einige Wilde neuerdings in einigen ihrer einfacheren Kunstfertigkeiten fortgeschritten sind. Nach dem äusserst merkwürdigen Berichte, welchen er von den Waffen, Werkzeugen und Künsten gibt, welche von Wilden in verschiedenen Theilen der Welt gebraucht oder geübt werden, lässt sich nicht zweifeln, dass dies fast alles unabhängige Entdeckungen gewesen sind, vielleicht mit Ausnahme der Kunst, Feuer zu machen.[3] Der australische Bumerang ist ein gutes Beispiel einer solchen unabhängigen Entdeckung. Als man zuerst die Bewohner von Tahiti besuchte, waren sie in vielen


  1. Royal Institution of Great Britain. March 15, 1867; s. auch Researches into the Early of History of Mankind. 1865.
  2. Primitive Marriage, 1865; s. auch einen offenbar von demselben Verfasser herrührenden ausgezeichneten Artikel in der North British Review, July, 1869. Auch L. H. Morgan, A Conjectural Solution of the Origin of the Class. System of Relationship. in: Proceed. American Acad. of Sciences. Vol. VII. Febr. 1868. Prof. Schaaffhausen erwähnt (Anthropol. Review, Oct. 1869, p. 373) „die Spuren von Menschenopfern im Homer und im alten Testament".
  3. Sir J. Lubbock, Prehistoric Times. 2. edit. 1869. Cap. XV und XVI, an mehreren Stellen, s. auch das ausgezeichnete 9. Capitel in Tylor’s Early History of Mankind, 2. edit. 1870.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/235&oldid=- (Version vom 31.7.2018)