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Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/279

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»Und es ist besonders merkwürdig, dass bei der Entwickelung der hintern Lappen keine Annäherung an das Lemurinengehirn mit kurzen Hemisphären bei denjenigen Affen stattfindet, welche, wie man gewöhnlich vermuthet, sich dieser Familie in andern Beziehungen nähern, nämlich bei den niederen Formen der Gruppe der Platyrhinen«.

So weit der Bau des erwachsenen Gehirns in Betracht kommt, rechtfertigen die sehr beträchtlichen Zusätze zu unsrer Kenntniss, welche durch die Untersuchungen so vieler Beobachter während der letzten zehn Jahre gemacht worden sind, noch immer vollständig meine im Jahre 1863 gemachte Angabe. Es ist aber gesagt worden, dass, selbst wenn man die Aehnlichkeit zwischen den erwachsenen Gehirnen des Menschen und der Affen zugibt, sie nichtsdestoweniger in Wirklichkeit weit von einander verschieden sind, weil sie in der Art und Weise ihrer Entwickelung fundamentale Verschiedenheiten darbieten. Niemand würde bereiter sein, die Stärke dieses Argumentes zuzugeben, als ich, wenn derartige fundamentale Entwickelungsverschiedenheiten wirklich existirten. Ich leugne aber, dass sie existiren. Im Gegentheil besteht eine fundamentale Uebereinstimmung in der Entwickelung des Gehirns bei dem Menschen und den Affen.

Von Gratiolet geht die Angabe aus, dass ein fundamentaler Unterschied in der Entwickelung des Gehirns der Affen und des des Menschen bestände, und zwar in Folgendem: es sollen bei den Affen die Furchen, welche zuerst auftreten, an der hintern Gegend der Grosshirn-Hemisphären gelegen sein, während beim menschlichen Fötus die Furchen zuerst auf den Stirnlappen sichtbar werden.[1]

Diese allgemeine Angabe gründet sich auf zwei Beobachtungen, auf die eines beinahe zur Geburt reifen Gibbons, bei dem die hinteren Windungen »wohl entwickelt« waren, während die der Stirnlappen »kaum angedeutet« waren[2] (a. a. O. p. 39), und auf die andere eines menschlichen Fötus der 22. oder 23. Woche des Uterinlebens, bei welchem Gratiolet bemerkt, dass die Insel unbedeckt war, dass aber nichtsdestoweniger


  1. „Chez tous les singes, les plis postérieurs se développent les premiers; les plis antérieurs se développent plus tard, aussi la vertèbre occipitale et pariétale sont-elles rélativement très-grandes chez le foetus. L'Homme présente une exception remarquable quant à l'époque de l'apparition des plis frontaux, qui sont les premiers indiques; mais le développement général du lobe frontal, envisage seulement par rapport à son volume, suit les mêmes lois que dans les singes“. Gratiolet, Mémoire sur les Plis cérébraux de l'Homme et des Primates, p. 39. Tab. IV. Fig. 3.
  2. Gratiolet's Worte sind (a. a. O. p. 39): „Dans le foetus dont il s'agit les plis cérébraux postérieurs sont bien développés, tandis que les plis du lobe frontal sont à peine indiqués“. Die Abbildung indessen (Taf. IV. Fig. 3) zeigt die Rolando'sche Spalte und eine der Stirnwindungen deutlich genug. Nichtsdestoweniger schreibt Mr. Alix in seiner „Notice sur les travaux anthropologiques de Gratiolet“ (Mém. de la Société d'Anthropologie de Paris, 1868, p. XXXII) folgendermaassen: „Gratiolet a eu entre les mains le cerveau d'un foetus de Gibbon, singe éminemment supérieur, et tellement rapproché de l'orang, que des naturalistes très-compétents l'ont rangé parmi les anthropoides. M. Huxley, par exemple, n'hésite pas sur ce point. Eh bien, c'est sur le cerveau d'un foetus de Gibbon que Gratiolet a vu les circonvolutions du lobe temporo-sphénoidal déjà développées lorsqu'ils n'existent pas encore de plis sur le lobe frontal. Il était donc bien autorisé à dire, que chez l'homme les circonvolutions apparaissent d'α en ω, tandis que chez les singes elies se developpent d'ω en α“.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/279&oldid=- (Version vom 31.7.2018)