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um hier den Gang meiner Beweisführung nicht zu unterbrechen. Nur domesticirte Thiere bieten die Gelegenheit dar, die proportionalen Zahlen bei der Geburt festzustellen; es sind aber speciell für diesen Zweck keine Berichte abgefasst oder Listen etc. geführt worden. Indessen habe ich auf indirectem Wege eine beträchtliche Menge statistischer Angaben gesammelt, aus denen hervorgeht, dass bei den meisten unserer domesticirten Thiere die Geschlechter bei der Geburt nahezu gleich sind. So sind von Rennpferden während einundzwanzig Jahren 25.560 Geburten registrirt worden, und die männlichen Geburten standen zu den weiblichen in dem Verhältnisse von 99,7:100. Bei Windspielen ist die Ungleichheit grösser als bei irgend einem anderen Thiere, denn während zwölf Jahren verhielten sich unter 6878 Geburten die männlichen Geburten zu den weiblichen wie 110,1:100. Es ist indess in einem ziemlichen Grade zweifelhaft, ob es gerathen ist, zu schliessen, dass dieselben proportionalen Zahlen ebenso unter natürlichen Verhältnissen wie im Zustand der Domestication auftreten würden; denn unbedeutende und unbekannte Verschiedenheiten in den Lebensbedingungen afficiren in einer gewissen Ausdehnung das Verhältniss der beiden Geschlechter zu einander. So verhalten sich in Bezug auf den Menschen die männlichen Geburten in England wie 104,5, in Russland wie 108,9, und bei den Juden in Livland wie 102 zu hundert weiblichen Geburten. Ich werde aber auf diesen merkwürdigen Punct, den Excess männlicher Geburten, im Anhange zu diesem Capitel zurückkommen. Am Cap der guten Hoffnung wurden indessen während mehrerer Jahre männliche Kinder europäischer Herkunft im Verhältniss von 90 und 99 zu 100 weiblichen geboren.

Für unsern gegenwärtigen Zweck haben wir es hier mit dem Verhältnisse der beiden Geschlechter nicht zur Zeit der Geburt, sondern zur Zeit der Reife zu thun, und dies bringt noch ein anderes Element des Zweifels mit sich. Denn es ist eine sicher bestätigte Thatsache, dass bei dem Menschen eine beträchtlich bedeutendere Zahl der männlichen Kinder vor oder während der Geburt und während der ersten wenigen Jahre der Kindheit stirbt als der weiblichen. Dasselbe ist fast sicher mit den männlichen Lämmern der Fall und dasselbe dürfte wahrscheinlich auch für die Männchen einiger anderen Thiere gelten. Die Männchen mancher Thiere tödten einander in Kämpfen oder sie treiben einander herum, bis sie bedeutend abgemagert sind. Sie müssen auch, während sie im eifrigen Suchen nach Weibchen umherwandern,


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/296&oldid=- (Version vom 31.7.2018)