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differiren auffallend von einander in fast jedem Theile ihres Gefieders mit Ausnahme des eleganten Federstutzes auf dem Kopfe, welcher beiden Geschlechtern eigen ist; und dieser entwickelt sich sehr früh im Leben, lange zuvor, ehe die anderen Zierathen sich entwickeln, welche auf das Männchen beschränkt sind. Die wilde Ente bietet einen analogen Fall dar, denn der schöne grüne Spiegel auf den Flügeln ist beiden Geschlechtern gemeinsam, trotzdem er beim Weibchen dunkler und etwas kleiner ist; und dieser entwickelt sich zeitig im Leben, während die gekräuselten Schwanzfedern und andere dem Männchen eigenthümlichen Zierden später entwickelt werden.[1] Zwischen solchen extremen Fällen grosser sexueller Uebereinstimmung und bedeutender Verschiedenheit, wie die des Crossoptilon und des Pfaus, könnten viele mitten innenliegende angeführt werden, bei denen die Charactere in der Reihenfolge ihrer Entwickelung unseren beiden Gesetzen folgen.

Da die meisten Insecten ihre Puppenhülle in einem geschlechtsreifen Zustande verlassen, so ist es zweifelhaft, ob die Periode der Entwickelung das Uebertragen ihrer Merkmale auf eines oder beide Geschlechter bestimmt. Wir wissen aber nicht, ob die gefärbten Schuppen z. B. in zwei Arten von Schmetterlingen, von denen bei der einen die beiden Geschlechter verschieden gefärbt sind, während bei der anderen beide gleich sind, in demselben relativen Alter im Cocon sich entwickeln. Auch wissen wir nicht, ob alle Schuppen gleichzeitig auf den Flügeln einer und derselben Species von Schmetterlingen entwickelt


  1. Bei einigen anderen Arten der Familie der Enten ist der Spiegel bei beiden Geschlechtern in einem bedeutenden Grade verschieden; ich bin aber nicht im Stande gewesen, nachzuweisen, ob seine völlige Entwickelung bei den Männchen solcher Arten später im Leben eintritt als bei der gemeinen Ente, wie es unserer Regel zu Folge der Fall sein sollte. Wir haben aber bei dem verwandten Mergus cucullatus einen Fall dieser Art: hier weichen die beiden Geschlechter auffallend in der allgemeinen Befiederung und auch in einem beträchtlichen Grade in dem Spiegel ab, welcher beim Männchen rein weiss, beim Weibchen gräulich weiss ist. Nun sind die jungen Männchen zuerst in allen Beziehungen den Weibchen ähnlich und haben einen gräulich-weissen Spiegel; dieser wird aber in einem früheren Alter rein weiss, als in dem, in welchem das erwachsene Männchen seine stärker ausgesprochenen sexuellen Verschiedenheiten im Gefieder erhält, s. Audubon, Ornithological Biography. Vol. III. 1835, p. 249-250.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/324&oldid=- (Version vom 31.7.2018)