Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/34

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

von hinten betrachtet wird. Er ist in der Grösse und auch etwas in der Stellung variabel, indem er entweder etwas höher oder tiefer steht; zuweilen kommt er auch nur an dem einen Ohr und nicht gleichzeitig am andern vor. Sein Vorkommen ist nicht auf den Menschen beschränkt; ich beobachtete einen Fall bei einem Ateles beelzebuth im zoologischen Garten; und Dr. E. Ray Lankester theilt mir einen andern Fall von einem Schimpanse im Hamburger zoologischen Garten mit. Der Helix besteht offenbar aus dem nach innen gefalteten äusseren Rande des Ohrs, und diese Faltung scheint in irgend einer Weise damit zusammenzuhängen, dass das ganze äussere Ohr beständig nach rückwärts gedrückt wird. Bei vielen Affen, welche nicht hoch in der ganzen Ordnung stehen, wie bei den Pavianen und manchen Arten von Macacus,[1] ist der obere Theil des Ohrs leicht zugespitzt und der Rand ist durchaus nicht nach innen gefaltet. Wäre aber der Rand in dieser Weise gefaltet, so würde nothwendig eine kleine Spitze nach innen und wahrscheinlich auch etwas nach aussen von der Ebene des Ohrs vorspringen; und so ist eine solche auch, wie ich glaube, in vielen Fällen entstanden. Andererseits behauptet Prof. L. Meyer in einem vor kurzem veröffentlichten guten Aufsatze,[2] dass das Ganze bloss ein Fall von Variabilität sei, und dass die Vorsprünge nicht wirklich solche seien, sondern nur daher rührten, dass der innere Knorpel zu jeder Seite der Spitze nicht vollständig entwickelt sei. Ich bin völlig bereit zuzugeben, dass dies für viele Fälle, so für die von Prof. Meyer abgebildeten, wo mehrere sehr kleine Spitzen sich fanden oder wo der ganze Rand buchtig ist, die richtige Erklärung ist. Ich selbst habe durch die Gefälligkeit des Dr. Down das Ohr eines mikrocephalen Idioten sehen können, bei dem sich an der Aussenseite des Helix und nicht an dem nach innen gefalteten Rande ein Vorsprung befand; die Spitze in diesem Falle kann daher in keiner Beziehung zu einer frühern Ohrspitze stehen. Nichtsdestoweniger scheint mir meine ursprüngliche Ansicht, dass diese Vorsprünge Ueberreste der Spitzen früher aufgerichteter und zugespitzter Ohren seien, noch immer die wahrscheinlich richtige zu sein. Ich glaube dies wegen der Häufigkeit des Vorkommens derselben


  1. s. auch die Bemerkungen und die Abbildungen der Lemuridenohren in der vortrefflichen Abhandlung von Murie und Mivart in der Transact. Zool. Soc. Vol. VII. 1869, p. 6 und 90.
  2. Ueber das Darwin'sche Spitzohr in: Archiv für path. Anat. u. Phys. 1871. p. 485.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1878, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)