äusserst analog sind und welche die prachtvollsten Farben darbieten, so müssten wir es doch für eine befremdende Thatsache erklären, wenn nicht ähnlich gefärbte Substanzen oft auch unabhängig von einem dadurch erreichten nützlichen Zwecke in dem complicirten Laboratorium der lebenden Organismen entstanden wären.
Unterreich der Mollusken. — Durch diese ganze grosse Abtheilung des Thierreichs kommen secundäre Sexualcharactere, solche wie wir sie hier betrachten, so weit ich es ausfindig machen kann, nirgends vor. In den drei niedrigsten Classen, nämlich den Ascidien, Bryozoen und Brachiopoden (die Molluscoiden mehrerer Zoologen bildend) wären solche auch nicht zu erwarten gewesen, denn die meisten der hierher gehörigen Thiere sind beständig an irgend eine Unterlage befestigt oder haben die Geschlechter in einem und demselben Individuum vereinigt. Bei den Lamellibranchiern, oder den zweischaligen Muscheln, ist Hermaphroditismus nicht selten. In der nächst höheren Classe, der der Gasteropoden oder einschaligen Schnecken, sind die Geschlechter entweder vereint oder getrennt. In diesem letzteren Falle aber besitzen die Männchen niemals specielle Organe zum Finden, Festhalten oder Reizen der Weibchen oder zum Kämpfen mit andern Männchen. Die einzige äusserliche Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern besteht, wie mir Mr. Gwyn Jeffreys mittheilt, darin, dass die Schalen zuweilen ein wenig in der Form abweichen; so ist z. B. die Schale der gemeinen Strandschnecke (Littorina litorea) beim Männchen etwas schmäler und hat eine etwas verlängertere Spindel als die des Weibchens. Aber Verschiedenheiten dieser Art stehen, wie wohl vermuthet werden kann, direct im Zusammenhang mit dem Acte der Reproduction oder mit der Entwickelung der Eier.
Wenn auch die Gasteropoden einer Ortsbewegung fähig und mit unvollkommenen Augen versehen sind, so scheinen sie doch nicht mit hinreichenden geistigen Kräften ausgerüstet zu sein, um den Individuen eines und desselben Geschlechts einen Kampf der Nebenbuhlerschaft zu gestatten und dadurch secundäre Sexualcharactere erlangen zu lassen. Nichtsdestoweniger geht bei den lungenathmenden Gasteropoden oder Landschnecken der Paarung eine Werbung voraus; denn wenn diese Thiere auch Hermaphroditen sind, so sind sie doch durch ihre Structur gezwungen, sich zu paaren. Agassiz bemerkt:[1] „Quiconque a eu
- ↑ De l'Espèce et de la Classific etc. 1860, p. 106.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/358&oldid=- (Version vom 31.7.2018)