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ist der rechte Fuss factisch länger als der ganze Körper.[1] Es könnte wohl die bedeutende Grösse des einen Fusses und seiner Scheere dem Männchen bei seinem Kampfe mit seinen Nebenbuhlern helfen; dieser Gebrauch kann aber die Ungleichheit dieser Theile auf den entgegengesetzten Seiten des Körpers des Weibchens nicht erklären. Nach einer von Milne-Edwards mitgeteilten Angabe[2] leben bei der Gattung Gelasimus Männchen und Weibchen in einer und derselben Höhle; und dies zeigt, dass sie sich paaren; das Männchen verschliesst die Oeffnung der Höhle mit einer seiner beiden Scheeren, welche enorm entwickelt ist, so dass sie hier indirect als Vertheidigungsmittel dient. Ihr hauptsächlichster Nutzen besteht indessen wahrscheinlich darin, das Weibchen zu ergreifen und festzuhalten; und man weiss, dass dies in einigen Beispielen, wie bei Gammarus, der Fall ist. Das Männchen des Einsiedlerkrebses (Pagurus) trägt Wochen lang die von dem Weibchen bewohnte Schale herum.[3] Indessen vereinigen sich, wie mir Mr. Spence Bate mittheilt, bei der gemeinen Uferkrabbe (Carcinus maenas) die Geschlechter direct, nachdem das Weibchen seine harte Schale abgestossen hat, wo es so weich ist, dass es verletzt werden würde, wenn es das Männchen mit seinen kräftigen Scheeren ergriffe; es wird aber vom Männchen schon vor dem Acte der Häutung gefangen und herumgeschleppt, wo es eben ohne Gefahr ergriffen werden kann.

Fritz Müller führt an, dass gewisse Arten von Melita von allen andern Amphipoden durch eine Eigenthümlichkeit der Weibchen unterschieden sind; nämlich „die Hüftblätter des vorletzten Fusspaares sind in hakenförmige Fortsätze ausgezogen, an die sich das Männchen mit den Händen des ersten Fusspaares festklammert“. Die Entwickelung dieser hakenförmigen Fortsätze ist wahrscheinlich das Resultat des Umstandes, dass diejenigen Weibchen, welche während des Reproductionsactes am sichersten gehalten wurden, die grösste Anzahl von Nachkommen hinterlassen haben. Ein anderer Brasilianischer Amphipode (Orchestia Darwinii, Fig. 8) bietet ähnlich wie Tanais einen Fall von Dimorphismus dar; es finden sich nämlich hier zwei männliche


  1. s. einen Aufsatz von C. Spence Bate mit Abbildungen in: Proceed. Zool. Soc. 1868, p. 363 und über die Nomenclatur der Gattung ebenda p. 585. Ich bin Herrn Spence Bate für fast alle die oben erwähnten Angaben in Bezug auf die Scheeren der höheren Crustaceen ausserordentlich verbunden.
  2. Histoire natur. des Crustac. Tom. II. 1837, p. 50.
  3. C. Spence Bate, Brit. Assoc, Fourth Report on the Fauna of S. Devon.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/365&oldid=- (Version vom 31.7.2018)