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es sehr zweifelhaft, ob derselbe irgend ein echtes Reibzeug besitzt, trotzdem er das Vermögen hat, einen Laut hervorzubringen.

Nach der Analogie mit den Orthoptern und Homoptern erwartete ich auch bei den Coleoptern zu finden, dass die Stridulationsorgane je nach dem Geschlecht verschieden seien. Doch hat Landois, welcher mehrere Species sorgfältig untersucht hat, keine solche Verschiedenheit gefunden, ebensowenig Westring und Mr. G. R. Crotch, welcher letztere die Freundlichkeit gehabt hat, zahlreiche Präparate zu machen, die er mir zur Untersuchung mitgetheilt hat. Es würde indessen schwer sein, irgendwelche unbedeutende geschlechtliche Verschiedenheit hier nachzuweisen wegen der grossen Variabilität dieser Organe. So war bei dem ersten Paare von Necrophorus humator und von Pelobius, welches ich untersuchte, das Reibzeug beim Männchen beträchtlich grösser als beim Weibchen; bei später untersuchten Exemplaren war dies aber nicht der Fall. Bei Geotrupes stercorarius schien mir das Reibzeug bei drei Männchen dicker, opaker und vorspringender zu sein als bei derselben Zahl von Weibchen. In Folge dessen sammelte mein Sohn, Mr. F. Darwin, um nachzuweisen, ob die Geschlechter in ihrem Stridulationsvermögen von einander abweichen, siebenundfünfzig lebende Exemplare, welche er in zwei Gruppen theilte, je nachdem sie in derselben Art und Weise gehalten ein grösseres oder unbedeutenderes Geräusch machten. Er untersuchte dann ihr Geschlecht, fand aber, dass die Männchen in beiden Theilen sich sehr nahe in demselben Verhältnisse zu den Weibchen befanden. Mr. F. Smith hat zahlreiche Exemplare von Mononychus pseudacori (ein Curculionide) lebendig gehalten und ist überzeugt, dass beide Geschlechter Laute hervorbringen, und zwar dem Anscheine nach in gleichem Grade.

Nichtsdestoweniger ist das Stridulationsvermögen sicher bei einigen wenigen Coleoptern ein sexueller Character. Mr. Crotch hat die Entdeckung gemacht, dass nur die Männchen zweier Species von Heliopathes (Tenebrionidae) Stridulationsorgane besitzen. Ich untersuchte fünf Männchen von Heliopathes gibbus und bei allen diesen fand sich ein wohlentwickeltes Reibzeug, zum Theil in zwei getheilt, an der dorsalen Fläche des terminalen Abdominalsegments, während in derselben Anzahl von Weibchen auch nicht ein Rudiment des Reibzeugs zu finden, die häufige Bedeckung des Segments im Gegentheil durchscheinend und viel dünner als beim Männchen war. Bei


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/411&oldid=- (Version vom 31.7.2018)