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Färbungen der obern Fläche solcher Arten ausdehnen, wie z. B. auf unsern Admiral und unser Pfauenauge, die Vanessae, unsern weissen Kohlschmetterling (Pieris) oder den grossen schwalbenschwänzigen Papilio, welcher auf offenen Gründen schwärmt. Denn es sind diese Schmetterlinge durch jene Farben sichtbar für jedes lebende Wesen gemacht worden. Bei diesen Species sind beide Geschlechter einander gleich; aber bei dem gemeinen Citronenvogel (Gonepterix rhamni) ist das Männchen intensiv gelb, während das Weibchen viel blässer ist, und bei dem Aurorafalter (Anthocharis cardamines) haben nur die Männchen die glänzenden orangenen Spitzen an ihren Flügeln. In diesen Fällen sind die Männchen und Weibchen gleichmässig in die Augen fallend und es ist nicht glaubhaft, dass ihre Verschiedenheit in der Färbung in irgend einer Beziehung zu gewöhnlichen Schutzmitteln steht. Prof. Weismann bemerkt,[1] dass das Weibchen einer der Lycaenen ihre braunen Flügel ausbreitet, wenn es sich auf den Boden setzt, und dann beinahe unsichtbar ist; andrerseits schliesst das Männchen, wenn es ruht, seine Flügel, als wenn es wüsste, welche Gefahr ihm das helle Blau der obern Fläche derselben brächte. Dies zeigt, dass die blaue Farbe in keiner Weise protectiv sein kann. Nichtsdestoweniger ist es wahrscheinlich, dass die auffallenden Farben vieler Species in einer indirecten Weise wohlthätig sind und zwar dadurch, dass dieselben es sofort zu erkennen geben, dass sie ungeniessbar sind. Denn in gewissen andern Fällen ist die Schönheit durch die Nachahmung anderer schöner Species erreicht worden, welche denselben Bezirk bewohnen und vor Angriffen dadurch sicher geworden sind, dass sie in irgendwelcher Weise den Feinden offensiv sind; dann haben wir aber noch immer die Schönheit der nachgeahmten Species zu erklären.

Das Weibchen unseres Aurorafalters, welcher oben erwähnt wurde, und einer americanischen Species (Anthocharis genutia) bietet uns, wie Mr. Walsh gegen mich geäussert hat, wahrscheinlich die ursprünglichen Farben der elterlichen Art der ganzen Gattung dar; denn beide Geschlechter von vier oder fünf sehr weit verbreiteten Arten sind in nahezu derselben Art und Weise gefärbt. Wir können hier schliessen, wie in mehreren der vorhergehenden Fälle, dass es die Männchen von Anthocharis cardamines und genutia sind, welche von dem gewöhnlichen


  1. Einfluss der Isolirung auf die Artbildung. 1872, p. 58.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/422&oldid=- (Version vom 31.7.2018)