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sind, die Geschlechter in Bezug auf die Färbung bedeutend von einander verschieden sind, trotzdem dies bei vielen glänzend gefärbten Tagschmetterlingen der Fall ist. Indess wird ein americanischer Nachtfalter, die Saturnia Jo, beschrieben als im Besitze tiefgelber und merkwürdig mit purpurrothen Flecken gezeichneter Vorderflügel, während die Flügel des Weibchens purpurbraun und mit grauen Linien gezeichnet sind.[1] Die britischen Nachtschmetterlinge, welche in ihrer Färbung dem Geschlechte nach verschieden sind, sind alle braun oder haben verschiedene Farbennuancen von Schmutzig-gelb oder fast Weiss. Bei mehreren Species sind die Männchen viel dunkler als die Weibchen,[2] und diese gehören Gruppen an, welche meistens während des Nachmittags fliegen. Auf der anderen Seite haben bei vielen Gattungen, wie mir Mr. Stainton mittheilt, die Männchen weissere Unterflügel als die Weibchen, für welche Thatsache Agrotis exclamationis ein gutes Beispiel darbietet. Bei dem Hopfenspinner (Hepialus humuli) ist die Verschiedenheit schärfer ausgesprochen, die Männchen sind weiss und die Weibchen gelb mit dunkleren Zeichnungen.[3] Wahrscheinlich werden hierdurch die Männchen in diesen Fällen auffallender


  1. Harris, Treatise on the Insects of New England, edited by Flint. 1862, p. 395.
  2. Ich beobachtete z. B. in der Sammlung meines Sohnes, dass bei Lasiocampa quercus, Odonestis potatoria, Hypogynma dispar, Dasychira pudibunda und Cycnia mendica die Männchen dunkler sind als die Weibchen. Bei der zuletzt genannten Species ist die Verschiedenheit in der Farbe zwischen den beiden Geschlechtern scharf ausgesprochen; auch theilt mir Mr. Wallace mit, dass wir hier, wie er meint, einen Fall von protectiver Nachäffung oder Mimicrie vor uns haben, welche auf das eine Geschlecht beschränkt ist, wie später noch ausführlich auseinandergesetzt werden wird. Das weisse Weibchen von Cycnia gleicht dem sehr gemeinen Spilosoma menthastri, bei welchem beide Geschlechter weiss sind; und Mr. Stainton hat die Beobachtung gemacht, dass dieser letztere Schmetterling mit äusserstem Widerwillen von einer ganzen Brut junger Truthühner verschmäht wurde, welche andere Schmetterlinge sehr gern fressen. Wenn daher die Cycnia von britischen Vögeln gewöhnlich für ein Spilosoma gehalten würde, so würde sie dem Gefressenwerden entgehen und ihre täuschende weisse Farbe wäre daher eine ausserordentliche Wohlthat für sie.
  3. Es ist merkwürdig, dass auf den Shetland-Inseln das Männchen dieses Spinners, anstatt vom Weibchen sehr verschieden zu sein, ihm häufig in der Färbung sehr ähnlich ist (s. MacLachlan, Transact. Entomol. Soc, Vol. II, 1866, p. 459). G. Fraser vermuthet (Nature, Apr., 1871, p. 489), dass in der Zeit des Jahres, wo der Hopfenspinner auf diesen nördlichen Inseln erscheint, die weisse Farbe der Männchen nicht nöthig sein würde, sie während der Dämmerungsnächte den Weibchen sichtbar zu machen.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/427&oldid=- (Version vom 31.7.2018)