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Paaren, und diese bieten auf den ersten Blick den allerverwirrendsten Fall dar. Es leben aber auch Vögel eines und desselben Geschlechts, welche also selbstverständlich nicht eigentlich gepaart sind, zuweilen in Paaren oder in kleinen Gesellschaften, wie es bekanntlich mit Tauben, und Rebhühnern der Fall ist. Es leben auch Vögel zu Dreien, wie es bei den Staaren, Krähen, Papageien und Rebhühnern beobachtet worden ist. Von Rebhühnern ist bekannt geworden, dass zwei Weibchen mit einem Männchen und auch umgekehrt zwei Männchen mit einem Weibchen leben. In allen solchen Fällen ist wahrscheinlich die Verbindung sehr leicht zu lösen, und einer der drei Vögel wird sich leicht mit einem Wittwer oder einer Wittwe paaren. Die Männchen gewisser Vögel kann man gelegentlich ihren Liebesgesang anstimmen hören lange nachdem die eigentliche Zeit vorüber ist, was dafür spricht, dass sie entweder ihre Gattin verloren oder niemals eine solche erlangt haben. Der Tod eines von einem Paare, sei es durch Zufall oder in Folge von Krankheit, wird den anderen Vogel frei und ledig zurücklassen, und es ist Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass weibliche Vögel während der Paarungszeit ganz besonders einem zeitigen Tode zu unterliegen neigen. Ferner werden Vögel, deren Nester zerstört wurden, oder unfruchtbare Paare oder verspätete Individuen leicht veranlasst werden sich neu zu paaren und werden wahrscheinlich froh sein, alle die Freuden und Pflichten des Aufziehens von Nachkommen auf sich zu nehmen, wenn auch diese nicht ihre eigenen sind.[1] Derartige Zufälligkeiten erklären wahrscheinlich die meisten der im Vorstehenden angeführten Fälle.[2] Nichtsdestoweniger ist es


  1. s. White (Natur. History of Selborne, 1825. Vol. I, p. 140), über das Vorkommen kleiner Bruten männlicher Rebhühner zeitig im Jahre; von welcher Thatsache ich noch andere Beispiele habe anführen hören, s. Jenner, über den zurückgebliebenen Zustand der Generationsorgane bei gewissen Vögeln, in: Philosoph. Transact., 1824. In Bezug auf Vögel, welche zu Dreien leben, verdanke ich Mr. Jenner Weir die Mittheilung der Fälle vom Staare und den Papageien, und Mr. Fox den von den Rebhühnern. Ueber Krähen s. „The Field,“ 1868, p. 415. Ueber das Singen verschiedener Vögel noch nach der eigentlichen Zeit s. L. Jenyns, Observations in Natural History. 1846, p. 87.
  2. Nach der Autorität des Honor. O. W. Forester hat Mr. J. O. Morris den folgenden Fall mitgetheilt (The Times, Aug. 6., 1868). Der Wildwart hier „fand in diesem Jahre ein Habichtsnest mit fünf Jungen darin. Er nahm vier davon und tödtete sie, liess aber einen mit gekappten Flügeln übrig um als Lockvogel beim Zerstören der Alten zu dienen. Diese wurden beide am nächsten Tage geschossen, als sie damit beschäftigt waren, den jungen zu füttern; und der Wärter glaubte, die Sache sei abgemacht. Den nächsten Tag kam er wieder und fand zwei andere mitleidige Habichte, welche mit Adoptivgefühlen herbeigekommen waren, dem Waisenkinde zu helfen. Diese beiden wurden wieder geschossen und das Nest verlassen. Als er später wiederkehrte, fand er zwei weitere mitleidige Individuen bei demselben Wohlthätigkeitsgeschäft thätig. Einen von diesen tödtete er; den andern schoss er gleichfalls, konnte ihn aber nicht finden. Nun kam keiner wieder zu diesem unfruchtbaren Werke“.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/112&oldid=- (Version vom 6.5.2018)