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Geschlecht überliefert werden, bei welchem sie zuerst auftraten, während Abänderungen, welche früher im Leben erscheinen, geneigt sind auf beide Geschlechter vererbt zu werden, womit jedoch nicht ausgesprochen werden soll, dass alle Fälle von geschlechtlich beschränkter Vererbung hierdurch erklärt werden können. Es wurde ferner gezeigt, dass, wenn ein männlicher Vogel in der Weise variirte, dass er während des jugendlichen Alters glänzender würde, derartige Variationen von keinem Nutzen sein würden, so lange das reproductionsfähige Alter nicht erreicht ist, wo dann Concurrenz zwischen den rivalisirenden Männchen eintritt. Aber bei Vögeln, welche auf dem Boden leben und welche gewöhnlich des Schutzes trüber Färbungen bedürfen, würden helle Färbungen für die jungen und unerfahrenen Männchen bei weitem gefährlicher sein als für die erwachsenen Männchen. In Folge hiervon würden die Männchen, welche in der Helligkeit ihres Gefieders während des jugendlichen Alters variirten, sehr häufig zerstört und durch natürliche Zuchtwahl beseitigt werden. Auf der anderen Seite können die Männchen, welche in derselben Art und Weise im nahezu geschlechtlichen Zustande variiren, trotzdem dass sie hierdurch noch etwas mehr Gefahr ausgesetzt sind, leben bleiben und, da sie durch geschlechtliche Zuchtwahl begünstigt sind, ihre Art fortpflanzen. Da in vielen Fällen eine Beziehung besteht zwischen der Periode der Abänderung und der Form der Ueberlieferung, so würden, wenn die hell gefärbten jungen Männchen zerstört würden und derartige reife Männchen in ihrer Bewerbung erfolgreich wären, allein die Männchen brillante Färbungen erlangen und nur ihren männlichen Nachkommen überliefern. Ich beabsichtige aber durchaus nicht, hiermit zu behaupten, dass der Einfluss des Alters auf die Form der Ueberlieferung die einzige Ursache der grossen Verschiedenheit in dem Brillantsein des Gefieders zwischen den Geschlechtern vieler Vögel ist.

Da es in Bezug auf alle Vögel, bei denen die Geschlechter in der Farbe verschieden sind, eine interessante Frage ist, ob allein die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modificirt und die Weibchen, soweit die Wirksamkeit dieses Moments in Betracht kommt, unverändert geblieben oder nur theilweise verändert worden sind, oder ob die Weibchen durch natürliche Zuchtwahl zum Zwecke eines Schutzes speciell modificirt worden sind, so will ich diese Frage in ziemlicher Ausführlichkeit erörtern, selbst in grösserer Länge als die


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/164&oldid=- (Version vom 31.7.2018)