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Diese Art, das Verhältniss zwischen der hellen Färbung weiblicher Vögel und ihrer Weise Nester zu bauen, soweit ein solches gültig ist, zu betrachten, erfährt durch gewisse analoge Fälle Unterstützung, welche in der Wüste Sahara vorkommen. Hier leben, wie in den meisten anderen Wüsten, verschiedene Vögel und viele andere Thiere, deren Färbung in einer wunderbaren Weise der Färbung der umgebenden Erdoberfläche angepasst ist. Nichtsdestoweniger bestehen, wie mir Mr. Tristman mitgetheilt hat, einige merkwürdige Ausnahmen von dieser Regel. So ist das Männchen der Monticola cyanea wegen seiner hellblauen Farbe auffallend und das Weibchen ist beinahe in gleicher Weise auffallend wegen seines gefleckten und braunen Gefieders. Beide Geschlechter von zwei Species von Dromolaea sind von einem glänzenden Schwarz. Diese drei Vögel sind daher weit entfernt davon, durch ihre Farbe Schutz zu erhalten, und doch sind sie im Stande zu leben, denn sie haben die Gewohnheit erlangt, bei drohender Gefahr in Höhlen oder Felsenspalten Zuflucht zu suchen.

In Bezug auf die oben angeführten Gruppen von Vögeln, bei denen die Weibchen auffallend gefärbt sind und verborgene Nester bauen, ist es nicht nöthig anzunehmen, dass bei jeder einzelnen Species der nestbauende Instinct speciell modificirt worden ist, sondern nur, dass die frühen Urerzeuger einer jeden Gruppe allmählich dazu gebracht wurden, kuppelförmige oder verborgene Nester zu errichten, und später diesen Instinct in Verbindung mit ihrer hellen Farbe auf ihre modificirten Nachkommen vererbten. Diese Folgerung ist, soweit sie zuverlässig ist, interessant. Sie zeigt nämlich, dass geschlechtliche Zuchtwahl in Verbindung mit gleichmässiger oder nahezu gleichmässiger Vererbung auf beide Geschlechter indirect die Art und Weise des Nestbaues bei ganzen Gruppen von Vögeln bestimmt hat.

Selbst in den Gruppen, bei welchen Mr. Wallace zufolge die Weibchen ihre hellen Farben nicht durch natürliche Zuchtwahl verloren haben, weil sie in Folge ihrer Art des Nestbaues bereits geschützt sind, weichen die Männchen oft in einem ganz unbedeutenden und gelegentlich in einem beträchtlichen Grade von den Weibchen ab. Dies ist eine sehr bezeichnende Thatsache; denn derartige Verschiedenheiten in der Färbung müssen aus dem Principe erklärt werden, dass einige der Abänderungen bei dem Männchen vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung auf ein und das nämliche Geschlecht beschränkt gewesen sind, da sich doch kaum behaupten lässt, dass diese Verschiedenheiten,


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/174&oldid=- (Version vom 31.7.2018)