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nämliche Ursache bestimmt worden sind; und diese ist geschlechtliche Zuchtwahl.

Wie bereits bemerkt worden ist, ist es nicht wahrscheinlich, dass Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Geschlechtern, wenn sie sehr unbedeutend sind, für das Weibchen als Schutzmittel von Nutzen sein können. Nehmen wir indessen an, dass sie von Nutzen seien, so könnte man wohl glauben, dass sie Uebergangsfälle darstellen. Wir haben aber keinen Grund zu der Annahme, dass zu irgend einer gegebenen Zeit viele Species einer Veränderung unterliegen. Wir können daher kaum zugeben, dass die zahlreichen Weibchen, welche sehr unbedeutend in der Färbung von ihren Männchen verschieden sind, jetzt alle zum Zwecke eines Schutzes dunkler zu werden beginnen. Selbst wenn wir etwas schärfer ausgesprochene geschlechtliche Verschiedenheiten in Betracht ziehen: ist es wahrscheinlich, dass z. B. der Kopf des weiblichen Buchfinken, das Carmoisinroth an der Brust des weiblichen Gimpels, das Grün des weiblichen Grünfinken, die Krone des feuerköpfigen Goldhähnchens sämmtlich durch den langsamen Process der Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes weniger hell gemacht worden sind? Ich kann dies nicht glauben, und noch weniger in Bezug auf unbedeutende Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern bei solchen Vögeln, welche verborgene Nester bauen. Auf der andern Seite können die Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den beiden Geschlechtern, mögen sie nun grösser oder kleiner sein, in einer bedeutenden Ausdehnung durch die Annahme erklärt werden, dass die aufeinanderfolgenden Variationen, welche die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt haben, vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung mehr oder weniger auf die Männchen beschränkt waren. Dass der Grad dieser geschlechtlichen Beschränkung in verschiedenen Species einer und der nämlichen Gruppe verschieden ist, wird Niemand überraschen, welcher die Gesetze der Vererbung studirt hat; denn sie sind so complicirt, dass sie uns bei unserer Unwissenheit in ihrer Wirksamkeit launenhaft zu sein scheinen.[1]

Soweit ich es nachweisen kann, gibt es nur sehr wenig, eine beträchtliche Anzahl von Species enthaltende Gruppen, bei welchen alle Arten in beiden Geschlechtern brillant gefärbt und gleich sind. Dies scheint aber, wie ich von Mr. Sclater höre, mit den Pisangfressern


  1. s. Bemerkungen in diesem Sinne in meinem Buche: Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2, Cap. 12.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/178&oldid=- (Version vom 31.7.2018)