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Ein paar Worte müssen noch über die Veränderung des Gefieders in Beziehung auf die Jahreszeit zugefügt werden. Aus früher angeführten Gründen lässt sich nur wenig daran zweifeln, dass die eleganten Schmuckfedern, die langen wallenden Federn, Federbüsche u. s. w. von Silberreihern, Reihern und vielen anderen Vögeln, welche nur während des Sommers entwickelt und behalten werden, ausschliesslich zu ornamentalen oder Hochzeitszwecken dienen, wenn sie auch beiden Geschlechtern gemeinsam zukommen. Das Weibchen wird hierdurch während der Bebrütungsperiode auffallender gemacht als während des Winters. Aber solche Vögel wie Reiher, Silberreiher werden im Stande sein, sich selbst zu vertheidigen. Da indessen Schmuckfedern wahrscheinlich während des Winters unbequem und gewiss von keinem Nutzen sind, so ist es möglich, dass die Gewohnheit, zweimal im Jahre sich zu mausern, allmählich durch natürliche Zuchtwahl zu dem Zwecke erlangt worden ist, unzuträgliche Zierathen während des Winters abzustossen. Diese Ansicht kann indess auf viele Wadevögel nicht ausgedehnt werden, bei welchen das Sommer- und Wintergefieder nur sehr wenig in der Färbung verschieden ist. Bei vertheidigungslosen Species, bei welchen entweder beide Geschlechter oder allein die Männchen während der Paarung äusserst auffällig werden, — oder wenn die Männchen in dieser Zeit so lange Schwung- oder Schwanzfedern erlangen, dass der Flug gehindert wird, wie bei Cosmetornis und Vidua —, erscheint es sicherlich auf den ersten Blick im hohen Grade wahrscheinlich, dass die zweite Mauserung zu dem speciellen Zwecke erlangt worden ist, diese Ornamente abzuwerfen. Wir müssen uns indessen daran erinnern, dass viele Vögel, so die Paradiesvögel, der Argusfasan und Pfauhahn, ihre Schmuckfedern im Winter nicht abwerfen, und es lässt sich doch kaum behaupten, dass in der Constitution dieser Vögel, mindestens der Gallinaceen, etwas liege, was eine doppelte Mauserung unmöglich macht; denn das Schneehuhn mausert sich dreimal im Jahre.[1] Es muss daher als zweifelhaft angesehen werden, ob die vielen Species, welche ihre ornamentalen Federn mausern oder ihre hellen Färbungen während des Winters verlieren, diese Gewohnheit wegen der Unbequemlichkeit oder der Gefahr, welcher sie im andern Falle ausgesetzt wären, erlangt haben.

Ich komme daher zu dem Schlusse, dass die Gewohnheit, zweimal


  1. s. Gould's Birds of Great Britain.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/182&oldid=- (Version vom 31.7.2018)