welcher, wenn die Kinnladen geschlossen sind, in eine tiefe Aushöhlung zwischen den Intermaxillarknochen des Oberkiefers eingreift"[1] (Figg. 27 und 28). Bei unserem Lachse hält diese Structurveränderung nur während der Laichzeit an; bei dem Salmo lycaodon des westlichen Nordamerica aber ist diese Veränderung, wie Mr. J. K. Lord glaubt,[2] permanent und am meisten bei den älteren Männchen ausgesprochen, welche schon früher in den Flüssen aufgestiegen sind. Bei diesen alten Männchen werden die Kinnladen zu ungeheuren hakenförmigen Vorsprüngen entwickelt und die Zähne wachsen zu regelmässigen Hauern aus, oft über einen halben Zoll lang. Der Angabe von Mr. Lloyd[3] zufolge dient bei dem europäischen Lachse die temporäre hakenförmige Bildung dazu, die Kinnladen zu kräftigen und zu schützen, wenn das eine Männchen ein anderes mit wunderbarer Heftigkeit angreift. Aber die bedeutend entwickelten Zähne des männlichen americanischen Lachsen können mit den Stosszähnen vieler männlichen Säugethiere verglichen werden; sie weisen eher auf einen offensiven Zweck hin als auf eine blosse protective Bedeutung.
Der Lachs ist nicht der einzige Fisch, bei welchem die Zähne in den beiden Geschlechtern verschieden sind. Dies ist auch bei vielen Rochen der Fall. Bei Raja clavata hat das Männchen scharfe spitze Zähne, welche nach rückwärts gerichtet sind, während die Zähne des Weibchens breit und platt sind und eine Art Pflaster bilden, so dass diese Zähne in den beiden Geschlechtern einer und der nämlichen Species mehr von einander verschieden sind, als es gewöhnlich bei verschiedenen Gattungen einer und derselben Familie der Fall ist. Die Zähne des Männchens werden erst dann scharf, wenn dasselbe erwachsen ist; so lange es jung ist, sind sie breit und platt wie die des Weibchens. Wie es so häufig bei secundären Sexualcharacteren vorkommt, besitzen beide Geschlechter einiger Species von Rochen, z. B. R. batis, wenn sie erwachsen sind, scharfe, zugespitzte Zähne und hier scheint ein Character, welcher dem Männchen eigen und ursprünglich von diesem erlangt worden ist, auf die Nachkommen beider Geschlechter überliefert worden zu sein. Auch bei R. maculata sind die Zähne gleichfalls in beiden Geschlechtern zugespitzt, aber nur wenn sie vollständig erwachsen sind; die Männchen erhalten diese
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)