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diesem Falle dem Reiter gefährlich, welcher leicht aus seinem Hudah herabgeschleudert wird.[1]

Sehr wenige männliche Säugethiere besitzen Waffen zweier verschiedener Arten, welche zum Kampfe mit rivalisirenden Männchen speciell angepasst sind. Der männliche Muntjac (Cervulus) bietet indessen eine Ausnahme dar, da er sowohl mit Hörnern als hervorragenden Eckzähnen versehen ist. Es ist aber die eine Form von Waffen häufig im Laufe der Zeiten durch eine andere ersetzt worden, wie wir aus dem was folgt schliessen können. Bei Wiederkäuern steht die Entwickelung von Hörnern allgemein im umgekehrten Verhältnisse zu den selbst nur mässig entwickelten Eckzähnen. So sind Kameele, Guanacos, Zwerghirsche und Moschusthiere hornlos, dagegen haben sie wirksame Eckzähne. Es sind diese Zähne „immer bei den Weibchen von geringerer Grösse als bei den Männchen.“ Die Cameliden haben in ihrem Oberkiefer ausser den ächten Eckzähnen noch ein Paar eckzahnformiger Schneidezähne.[2] Andrerseits besitzen männliche Hirsche und Antilopen Hörner, wogegen sie selten Eckzähne haben, und wenn solche vorhanden sind, sind sie immer von geringer Grösse, so dass es zweifelhaft ist, ob sie den Thieren in ihren Kämpfen von irgend welchem Nutzen sind. Bei Antilope montana sind sie nur als Rudimente beim jungen Männchen vorhanden und verschwinden, wenn dasselbe alt wird; und beim Weibchen fehlen sie auf allen Altersstufen. Man hat aber in Erfahrung gebracht, dass die Weibchen gewisser anderer Antilopen und Hirsche gelegentlich Rudimente dieser Zähne darbieten.[3] Hengste haben kleine Eckzähne, welche bei der Stute entweder vollständig fehlen oder rudimentär sind. Sie scheinen aber nicht bei den Kämpfen benutzt zu werden, denn Hengste beissen mit ihren Schneidezähnen und öffnen das Maul nicht weit, wie die Kameele


  1. s. auch Corse (Philosoph. Transact. 1799, p. 212) über die Art und Weise, in welcher die Mooknah-Varietät des Elephanten mit kurzen Stosszähnen andere Elephanten angreift.
  2. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 349.
  3. s. Rüppell in: Proceed. Zoolog. Soc., Jan. 12, 1836, p. 3, über die Eckzähne bei Hirschen und Antilopen mit einer Anmerkung von Mr. Martin über einen weiblichen americanischen Hirsch, s. auch Falconer, Palaeontol. Memoirs and Notes, Vol. I, 1868, p. 576 über Eckzähne bei einem weiblichen erwachsenen Hirsch. Bei alten Männchen des Moschusthieres wachsen die Eckzähne zuweilen (s. Pallas, Spicileg. Zoolog. Fasc. XIII. 1779, p. 18) zu einer Länge von drei Zollen aus, während bei alten Weibchen ein Rudiment davon kaum einen halben Zoll über das Zahnfleisch vorspringt.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/254&oldid=- (Version vom 31.7.2018)