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Männchens wird, wie schon vor längerer Zeit Hunter bemerkte,[1] ausnahmslos in denjenigen Theilen des Körpers entfaltet, welche bei den Kämpfen mit rivalisirenden Männchen in Thätigkeit treten, z. B. in dem massiven Nacken des Bullen. Auch sind männliche Säugethiere muthiger und kampfsüchtiger als die Weibchen. Es lässt sich wenig zweifeln, dass diese Charactere theilweise durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, in Folge einer Reihe von Siegen auf Seiten der kräftigeren und muthigeren Männchen über die schwächeren, zum Theil auch durch die vererbten Wirkungen des Gebrauches. Wahrscheinlich sind die aufeinanderfolgenden Abänderungen in dem Maasse der Kraft, Grösse und des Muthes, durch deren Anhäufung männliche Säugethiere diese characteristischen Eigenschaften erlangt haben, im Ganzen spät im Leben erschienen und sind in Folge hiervon in einem beträchtlichen Grade rücksichtlich ihrer Ueberlieferung auf dasselbe Geschlecht beschränkt gewesen.

Von diesem Gesichtspunkte aus war ich bemüht, mir Mittheilungen in Bezug auf den schottischen Hirschhund zu verschaffen, dessen Geschlechter mehr in der Grösse von einander verschieden sind, als die irgend einer andern Rasse (obgleich Bluthunde beträchtlich verschieden sind) und auch mehr als die Geschlechter irgend einer wilden mir bekannten Species von Caniden. Ich wandte mich daher an Mr. Cupples, einen wohlbekannten Züchter dieser Rasse, welcher viele seiner eigenen Hunde gewogen, und gemessen und welcher die folgenden Thatsachen aus verschiedenen Quellen mit grosser Freundlichkeit für mich zusammengetragen hat. Vorzügliche männliche Hunde sind, an der Schulter gemessen, von achtundzwanzig Zollen, was für niedrig gilt, bis drei- oder selbst vierunddreissig Zoll hoch und wiegen von achtzig Pfund, was für leicht gilt, bis hundertundzwanzig oder selbst noch mehr Pfund. Die Weibchen sind von dreiundzwanzig bis siebenundzwanzig oder selbst achtundzwanzig Zoll hoch und wiegen von fünfzig bis siebenzig oder selbst achtzig Pfund.[2] Mr. Cupples schliesst, dass von fünfundneunzig bis hundert Pfund für’s Männchen


  1. Animal Economy, p. 45.
  2. s. auch Richardson, Manual on the Dog, p. 59. Viele werthvolle Mittheilungen über den schottischen Hirschhund hat Mr. M’Neill, welcher zuerst die Aufmerksamkeit auf die Ungleichheit der Geschlechter lenkte, in Scrope’s Art of Deer Stalking gegeben. Ich hoffe, Mr. Cupples führt sein Vorhaben aus, eine ausführliche Schilderung und Geschichte dieser berühmten Rasse zu veröffentlichen.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/257&oldid=- (Version vom 31.7.2018)