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wo der Schnee niemals lange auf dem Boden liegen bleibt, würde ein weisses Kleid von Nachtheil sein; in Folge dessen sind so gefärbte Arten in den wärmeren Theilen der Erde äusserst selten. Es verdient Beachtung, dass viele, mässig kalte Gegenden bewohnende Säugethiere, trotzdem sie kein weisses Winterkleid annehmen, doch während dieser Zeit blässer werden; und dies ist dem Anscheine nach das directe Resultat der Bedingungen, welchen sie lange Zeit ausgesetzt sind. Pallas gibt an,[1] dass in Sibirien eine Veränderung dieser Natur beim Wolfe, bei zwei Species von Mustela, bei dem domesticirten Pferde, dem Equus hemionus, der Hauskuh, bei zwei Species von Antilopen, dem Moschusthiere, beim Rehe, dem Elk und dem Renthiere vorkommt. Das Reh hat z. B. ein rothes Sommer- und ein graulich weisses Winterkleid, und das Letztere kann vielleicht als Schutz für das Thier dienen, während es durch die laublosen, von Schnee und Rauchfrost überzogenen Dickichte wandert. Wenn die eben angeführten Thiere ihre Verbreitung allmählich in Gegenden ausdehnten, welche beständig mit Schnee bedeckt bleiben, so würde wahrscheinlich ihr blasses Winterkleid durch natürliche Zuchtwahl gradweise immer weisser und weisser werden, bis es zuletzt so weiss wie Schnee wäre.

Mr. Reeks hat mir ein merkwürdiges Beispiel von einem Thiere mitgetheilt, welches durch seine eigenthümliche Färbung Vortheil hatte. Er erzog in einem grossen von einer Mauer umgebenen Obstgarten von fünfzig bis sechzig weiss und braun gescheckte Kaninchen; zu derselben Zeit hatte er einige ähnlich gescheckte Katzen in seinem Hause. Derartige Katzen sind, wie ich oft bemerkt habe, bei Tage sehr auffallend; da sie aber während der Dämmerung vor den Löchern der Kaninchenbaue auf Beute lauernd geduckt dazuliegen pflegten, so unterschieden sie die Kaninchen offenbar nicht von ihren ähnlich gefärbten Genossen. Das Resultat war, dass innerhalb achtzehn Monate jedes einzelne dieser zum Theil gefärbten Kaninchen zerstört war; und es fanden sich Beweise, dass dies durch die Katzen geschehen war. Bei einem andern Thiere, dem Skunk, scheint die Farbe in einer Art und Weise von Vortheil zu sein, von der wir in andern Classen viele Beispiele finden. Kein Thier wird eines dieser Geschöpfe absichtlich angreifen, wegen des schauderhaften Geruchs, welchen es abgibt,


  1. Novae Species Quadrupedum e Glirium ordine. 1788, p. 7. Was ich oben Reh genannt habe, ist der Capreolus sibiricus subecaudatus von Pallas.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/291&oldid=- (Version vom 31.7.2018)