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dass er seine musikalischen Töne besonders während der Zeit der Bewerbung ausstösst.

Dieser Gibbon ist nicht die einzige Species der Gattung, welche singt; mein Sohn, Francis Darwin, hat im zoologischen Garten aufmerksam dem H. leuciscus zugehört, als derselbe eine Cadenz von drei Noten in reinen, musikalischen Intervallen und mit einem hellen musikalischen Tone sang. Noch überraschender ist die Thatsache, dass gewisse Nagethiere musikalische Laute hervorbringen. Häufig sind singende Mäuse erwähnt und zu öffentlicher Ausstellung gebracht worden; gewöhnlich hatte man aber den Verdacht einer Betrügerei. Wir haben indess endlich von einem wohlbekannten Beobachter, S. Lockwood, einen klaren Bericht[1] über die musikalischen Kräfte einer americanischen Art erhalten, der Hesperomys cognatus, welche zu einer von der englischen Maus verschiedenen Gattung gehört. Dies kleine Thier wurde in Gefangenschaft gehalten und sein Gesang wurde wiederholt gehört. Bei einem der hauptsächlichsten Gesänge „wurde der letzte Tact häufig zu zweien oder dreien ausgezogen; zuweilen wechselte das Thierchen von Cis und D zu C und D, dann trillerte es eine kurze Zeit lang auf diesen beiden Tönen und schloss dann mit einem schnellen Zirpen auf Cis und D. Der Unterschied zwischen den beiden halben Tönen war sehr ausgesprochen und für ein gutes Ohr leicht vernehmbar“. Mr. Lockwood führt beide Gesänge mit Noten an, und fügt noch hinzu, dass diese kleine Maus, obschon sie „kein Ohr für Tact hatte, doch die Tonart von B (zwei b’s) und genau die Dur-Tonart inne hielt“ .... „ihre weiche klare Stimme fällt mit aller möglichen Präcision um eine Octave, beim Schluss hebt sie sich dann wieder zu einem sehr schnellen Triller auf Cis und D“.

Ein Kritiker hat gefragt, auf welche Weise die Ohren des Menschen (und anderer Thiere, hätte er hinzusetzen müssen) durch Zuchtwahl so modificirt werden konnten, dass sie musikalische Töne unterscheiden. Diese Frage zeigt aber, dass über diesen Gegenstand etwas Confusion vorhanden war. Ein Geräusch ist eine Empfindung, welche das Resultat des gleichzeitigen Vorhandenseins von „einfachen Schwingungen“ der Luft von verschiedenen Perioden ist, von welchen eine jede so häufig intermittirt dass ihr gesondertes Vorhandensein nicht wahrgenommen werden kann. Nur durch den Mangel der Continuität


  1. The American Naturalist, 1871, p. 761.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/325&oldid=- (Version vom 31.7.2018)