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letzteren Beziehung und von beinahe allen übrigen Fischen darin verschieden ist, dass es heller gefärbt ist als das Männchen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass diese merkwürdige doppelte Umkehrung des Characters bei dem Weibchen ein zufälliges Zusammentreffen sein sollte. Da die Männchen mehrerer Fische, welche ausschliesslich die Sorge für die Eier und die Jungen übernehmen, heller gefärbt sind als die Weibchen, und da hier das weibliche Solenostoma dieselbe Sorge auf sich nimmt und heller gefärbt ist als das Männchen, so könnte man schliessen, dass die auffallenden Farben desjenigen Geschlechts, welches von beiden für die Wohlfahrt der Nachkommen das bedeutungsvollste ist, in einer gewissen Weise als Schutzmittel dienen müssen. Aber in Betracht der Menge von Fischen, bei denen die Männchen entweder dauernd oder periodisch heller sind als die Weibchen, deren Leben aber durchaus nicht von grösserer Bedeutung für die Wohlfahrt der Species ist als das der Weibchen, kann diese Ansicht kaum aufrecht erhalten werden. Wenn wir die Vögel besprechen werden, werden sich uns analoge Fälle darbieten, bei welchen eine vollständige Umkehrung der gewöhnlichen Attribute der beiden Geschlechter eingetreten ist, und wir werden dann eine wie es scheinen dürfte wahrscheinliche Erklärung hierfür geben, nämlich diese, dass die Männchen die anziehenderen Weibchen gewählt haben, anstatt dass die letzteren in Uebereinstimmung mit der gewöhnlichen, durch das ganze Thierreich hindurch herrschenden Regel die anziehenderen Männchen gewählt hätten.

Im Ganzen können wir schliessen, dass bei den meisten Fischen, bei welchen die Geschlechter in der Farbe oder in andern ornamentalen Merkmalen von einander verschieden sind, die Männchen ursprünglich zuerst abgeändert haben, worauf dann ihre Abänderungen auf dasselbe Geschlecht überliefert und durch geschlechtliche Zuchtwahl, nämlich durch Anziehung und Reizung der Weibchen, angehäuft wurden. Indessen sind in vielen Fällen derartige Merkmale entweder theilweise oder vollständig auf die Weibchen übertragen worden. Ferner sind in andern Fällen beide Geschlechter zum Zwecke des Schutzes gleich gefärbt worden. Es scheint aber kein einziges Beispiel vorzukommen, wo die Farben oder anderen Merkmale des Weibchens allein speciell zu diesem letztern Zwecke modificirt worden wären.

Der letzte Punkt, welcher einer Erwähnung bedarf, ist, dass Fische aus vielen Theilen der Welt bekannt sind, welche verschiedenartige


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)