wählen sollten, so würde das für die Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl genügen.
Wenn wir daher im Strome der Zeit weit genug zurückblicken und nach den socialen Gewohnheiten des Menschen, wie er jetzt existirt, schliessen, ist die wahrscheinlichste Ansicht die, dass der Mensch ursprünglich in kleinen Gesellschaften lebte, jeder Mann mit einer Frau oder, hatte er die Macht, mit mehreren, welche er eifersüchtig gegen alle anderen Männer vertheidigte. Oder er mag kein sociales Thier gewesen sein und doch mit mehreren Frauen für sich allein gelebt haben, wie der Gorilla; denn „alle Eingeborenen stimmen darin überein, dass nur ein erwachsenes Männchen in einer Gruppe zu sehen ist. Wächst das junge Männchen heran, so findet ein Kampf um die Herrschaft statt und der Stärkste setzt sich dann, indem er die Anderen getödtet oder fortgetrieben hat, als Oberhaupt der Gesellschaft fest“.[1] Die jüngeren Männchen, welche hierdurch ausgestossen sind und nun umherwandern, werden auch, wenn sie zuletzt beim Finden einer Gattin erfolgreich sind, die zu enge Inzucht innerhalb der Glieder einer und derselben Familie verhüten.
Obgleich Wilde jetzt äusserst ausschweifend sind und obschon communale Ehen früher in hohem Grade geherrscht haben mögen, so besteht doch bei vielen Stämmen irgend eine Form von Ehe, freilich von einer viel lockerern Natur als bei civilisirten Nationen. Wie eben angeführt wurde, sind die anführenden Männer in jedem Stamme beinahe allgemein der Polygamie ergeben. Nichtsdestoweniger gibt es Stämme, welche beinahe am unteren Ende der ganzen Stufenreihe stehen, welche streng monogam leben. Dies ist der Fall mit den Veddahs von Ceylon. Sie haben der Angabe von Sir J. Lubbock zufolge[2] ein Sprüchwort, „dass nur der Tod Mann und Frau von einander trennen kann“. Ein intelligenter Ceyloneser Häuptling, natürlich ein Polygamist, „war vollständig entsetzt über die complete Barbarei, nur mit einer Frau zu leben und nie von ihr sich zu trennen als im Tode“. Das wäre, sagte er, „gerade wie bei den Wanderoo-Affen“. Ob die Wilden, welche jetzt irgend eine Form von Ehe, entweder polygame oder monogame, eingehen, diesen Gebrauch von Urzeiten her beibehalten haben, oder ob sie zu einer Form von Ehe zurückgekehrt sind, nachdem sie einen Zustand völlig allgemeiner
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/356&oldid=- (Version vom 31.7.2018)