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Mr. Winwood Reade stellte meinetwegen Nachforschungen in Bezug auf die Neger von West-Africa an, und theilt mir nun mit, dass „die Frauen wenigstens unter den intelligenteren heidnischen Stämmen keine Schwierigkeiten haben, diejenigen Männer zu bekommen, welche sie wünschen, obschon es für unweiblich angesehen wird, einen Mann aufzufordern, sie zu heirathen. Sie sind vollständig fähig, sich zu verlieben, und sind auch zarter, leidenschaftlicher und treuer Anhänglichkeit fähig“. Noch weitere Beispiele könnten angeführt werden.

Wir sehen hieraus, dass bei Wilden die Frauen in keinem so vollständig unterwürfigen Zustande in Bezug auf das Heirathen sich finden, als häufig vermuthet worden ist. Sie können die Männer, welche sie vorziehen, verführen und können zuweilen diejenigen, welche sie nicht leiden mögen, entweder vor oder nach der Heirath verwerfen. Eine Vorliebe seitens der Frauen, welche in irgend einer Richtung stetig wirkt, wird schliesslich den Character des Stammes afficiren, denn die Weiber werden allgemein nicht bloss die hübscheren Männer je nach ihrem Maassstabe von Geschmack, sondern diejenigen wählen, welche zu derselben Zeit am besten im Stande sind, sie zu vertheidigen und zu unterhalten. Derartige gut begabte Paare werden im Allgemeinen eine grössere Anzahl von Nachkommen aufziehen als die weniger begünstigten. Dasselbe Resultat wird offenbar in einer noch schärfer ausgesprochenen Weise eintreten, wenn auf beiden Seiten eine Auswahl stattfindet, d. h. wenn die anziehenderen und zu derselben Zeit auch kraftvolleren Männer die anziehenderen Weiber vorziehen und umgekehrt auch wieder von diesen vorgezogen werden. Und diese doppelte Form von Auswahl scheint factisch bei der Menschheit, besonders während der früheren Perioden unserer langen Geschichte, eingetreten zu sein.

Wir wollen nun etwas eingehender einige der Charactere betrachten, welche die verschiedenen Rassen von einander sowohl als von den


    Soc. Vol. XV, p. 47. Williams, über die Fiji-Insulaner, citirt von Lubbock, Origin of Civilisation, 1870, p. 79. Ueber die Feuerländer: King and Fitzroy, Voyages of the Adventure and Beagle. Vol. II. 1839, p. 182. Ueber die Kalmucken citirt von Mr. M’Lennan, Primitive Marriage. 1865, p. 32. Ueber die Malayen: Lubbock, a. a. O. p. 76. J. Shooter, On the Kafirs of Natal, 1857, p. 52–60; D. Leslie, Kafir Characters and Customs, 1871, p. 4. Ueber die Buschmänninnen s. Burchell, Travels in South Africa, Vol. II. 1824, p. 59. Ueber die Koraks s. McKennan, citirt von Wake, in: Anthropologia, Oct. 1873, p. 75.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/367&oldid=- (Version vom 31.7.2018)