werden und die Kugel- und Sockel-Verzierung niemals in ganzer Vollkommenheit gezeigt wird, ausgenommen, wenn das Männchen die Stellung der Brautwerbung annimmt. Der Argusfasan besitzt keine brillanten Farben, so dass sein Erfolg bei der Bewerbung von der bedeutenden Grösse seiner Zierfedern abgehangen zu haben scheint, ebenso wie von der Ausführung der elegantesten Zeichnungen. Viele werden erklären, dass es vollkommen unglaublich ist, dass ein weiblicher Vogel im Stande sein sollte, feine Schattirungen und ausgezeichnete Zeichnungen zu würdigen. Es ist zweifellos eine merkwürdige Thatsache, dass das Weibchen diesen beinahe menschlichen Grad von Geschmack besitzen soll. Wer der Ansicht ist, mit Sicherheit die Unterscheidungskraft und den Geschmack der niederen Thiere abschätzen zu können, mag läugnen, dass der weibliche Argusfasan solche ausgesuchte Schönheit würdigen könne; er wird aber dann gezwungen sein zuzugeben, dass die ausserordentlichen Stellungen, welche das Männchen während des Actes der Bewerbung annimmt und durch welche die wunderbare Schönheit seines Gefieders vollständig zur Entfaltung kommt, zwecklos sind, und dies ist eine Schlussfolgerung, welche ich für meinen Theil wenigstens niemals zugeben kann.
Obgleich so viele Fasanen und verwandte hühnerartige Vögel sorgfältig ihr schönes Gefieder vor den Weibchen entfalten, so ist es doch merkwürdig, dass dies, wie mir Mr. Bartlett mittheilt, bei den trübe gefärbten Ohren- und Wallich'schen Fasanen (Crossoptilon auritum und Phasianus Wallichii) nicht der Fall ist; es scheinen daher diese Vögel sich dessen bewusst zu sein, dass sie wenig Schönheit zu entfalten im Stande sind. Mr. Bartlett hat niemals gesehen, dass die Männchen einer dieser beiden Species mit einander kämpften, obschon er nicht so gute Gelegenheit gehabt hat, den Wallich'schen Fasan zu beobachten als den Ohrenfasan. Auch findet Mr. Jenner Weir, dass alle männlichen Vögel mit reichem oder scharf characterisirtem Gefieder streitsüchtiger sind als die trübe gefärbten Arten, welche zu denselben Gruppen gehören. Der Stieglitz ist z. B. viel zanksüchtiger als der Hänfling, und die Amsel zanksüchtiger als die Drossel. Diejenigen Vögel, welche in den verschiedenen Jahreszeiten eine Veränderung des Gefieders erleiden, werden in der Periode, wo sie am lebhaftesten geziert sind, gleichfalls viel kampflustiger. Ohne Zweifel kämpfen auch die Männchen einiger dunkel gefärbten Vögel verzweifelt mit einander, aber es scheint doch, als ob in den Fällen, wo die geschlechtliche
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/99&oldid=- (Version vom 31.7.2018)