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das Muskelnetz nach Leydig[1] in einem Übergangszustande, da die Fasern nur Andeutungen einer Querstreifung darbieten.

Es scheint eine andere Erklärung möglich zu sein. Wir können annehmen, daß ursprünglich die Arrectores pili unbedeutend in einer directen Art und Weise unter der Einwirkung der Wuth und des Schreckens durch eine Reizung des Nervensystems beeinflußt worden sind, wie es unzweifelhaft bei unserer sogenannten „Gänsehaut“ vor einem Fieberanfall der Fall ist. Thiere sind wiederholt durch viele Generationen hindurch von Wuth und Schrecken erregt worden; in Folge hiervon werden die directen Wirkungen des gereizten Nervensystems auf die Hautanhänge beinahe sicher durch Gewohnheit und die Tendenz der Nervenkraft, leicht gewohnten Canälen entlang auszuströmen, verstärkt worden sein. Wir werden diese Ansicht von der Kraft der Gewohnheit in einem spätern Capitel auffallend bestätigt sehen, wo gezeigt werden wird, daß das Haar der Wahnsinnigen in Folge der wiederholten Anfälle von Wuth und Schrecken in einer außerordentlichen Art und Weise afficirt wird. Sobald nun bei Thieren die Fähigkeit des Aufrichtens hierdurch gekräftigt oder gesteigert worden war, so werden sie die Haare oder Federn bei rivalisirenden oder in Wuth gerathenen Männchen sicher häufig aufgerichtet und den Umfang ihrer Körper vergrößert gesehen haben. In diesem Falle scheint es möglich zu sein, daß bei ihnen der Wunsch entstanden ist, sich ihren Feinden gegenüber größer und furchtbarer aussehen zu machen dadurch, daß sie willkürlich eine drohende Stellung annahmen und rauhes Geschrei ausstießen; daß ferner derartige Stellungen und Laute nach einer Zeit durch Gewohnheit instinctiv wurden. Auf diese Weise dürften Handlungen, welche durch die Zusammenziehung willkürlicher Muskeln ausgeführt wurden, zu demselben speciellen Zwecke mit solchen, welche unwillkürliche Muskeln ausführten, combinirt worden sein. Es ist sogar möglich, daß Thiere, wenn sie erregt und sich undeutlich irgend einer Veränderung im Zustande ihres Haarkleides bewußt sind, durch wiederholte Anstrengungen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Willens auf dasselbe einwirken können; denn wir haben zu glauben Ursache, daß der Wille im Stande ist, in einer nicht klaren Art und Weise die Thätigkeit einiger nicht gestreiften oder unwillkürlichen Muskeln zu beeinflussen, wie z. B. in Bezug


  1. Lehrbuch der Histologie u. s. w. 1857, S. 82.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/100&oldid=- (Version vom 31.7.2018)