gestand dem Dr. Browne später, daß es geschehen sei, weil es ihr eingefallen sei, daß sie früher einmal ihre Augenbrauen rasirt habe, um deren Wachsthum zu befördern. Viele Patienten in der Anstalt sitzen eine Zeit lang da, sich beständig vorwärts und rückwärts bewegend, „und wenn man sie anredet, hören sie in ihren Bewegungen auf, ziehen ihre Augen zusammen, drücken ihre Mundwinkel herab und brechen in Weinen aus“. In einigen dieser Fälle scheint der Angeredete oder freundlich Gegrüßte sich irgend eine eingebildete und traurige Idee vor die Seele zu führen; aber in anderen Fällen regt ein Anstoß jeder Art, ganz unabhängig von irgend einer kummervollen Idee, das Weinen an. Auch Patienten, welche an acuter Manie leiden, haben Paroxysmen von heftigem Weinen mitten in ihren unzusammenhängenden Rasereien. Wir dürfen indeß auf das reichliche Thränenvergießen bei Geisteskranken, als eine Folge des Mangels jeder Zurückhaltung, nicht zu viel Gewicht legen; denn gewisse Gehirnkrankheiten wie Hemiplegie, Hirnschwund und Marasmus haben eine specielle Neigung, Weinen zu veranlassen. Das Weinen bei Geisteskranken ist ganz allgemein, selbst nachdem ein Zustand völliger Blödsinnigkeit erreicht worden und das Vermögen der Sprache verloren gegangen ist. Auch blödsinnig geborne Personen weinen.[1] Man sagt aber, daß es bei Cretins nicht der Fall ist.
Das Weinen scheint, wie wir bei Kindern sehen, die ursprüngliche und natürliche Ausdrucksform für Leiden irgend welcher Art zu sein, mag es körperlicher Schmerz, der nur wenig der äußersten Todesangst nachsteht, oder geistiges Unglück sein. Aber die vorstehend erwähnten Thatsachen und die gewöhnliche Erfahrung zeigt uns, daß eine häufig wiederholte Anstrengung, das Weinen zu unterdrücken, in Verbindung mit gewissen Seelenzuständen sehr wirksam ist, die Gewohnheit zu unterbrechen. Andererseits scheint es fast, als könne das Vermögen zu weinen durch Gewohnheit verstärkt werden. So behauptet Mr. R. Taylor,[2] welcher lange in Neu-Seeland lebte, daß die Frauen dort willkürlich Thränen im Überfluß vergießen können. Sie kommen zu diesem Zwecke, um die Todten zu beklagen, zusammen und setzen ihren Stolz darein, „in der ergreifendsten Weise zu weinen“.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/149&oldid=- (Version vom 31.7.2018)