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er aber bei einer späteren Gelegenheit lautes Geschrei ausstieß, schloß er dieselben nicht.


Ursache der Absonderung der Thränen. — Es ist eine bedeutungsvolle Thatsache, welche bei jeder Theorie der Thränenabsonderung in Folge einer Affection der Seele betrachtet werden muß, daß, so oft die Muskeln rings um das Auge heftig und unwillkürlich zusammengezogen werden, um die Blutgefäße zusammenzudrücken und hierdurch die Augen zu schützen, Thränen abgesondert werden und häufig in hinreichender Menge, daß sie über die Backen herabrollen. Dies tritt auch unter den entgegengesetztesten Gemüthserregungen, aber auch wenn durchaus keine Erregung vorhanden ist, ein. Die einzige Ausnahme, und dies sogar nur eine theilweise, von der allgemeinen Existenz einer Beziehung zwischen der unwillkürlichen und heftigen Zusammenziehung dieser Muskeln und der Thränenabsonderung ist der Fall bei sehr kleinen Kindern, welche, während sie mit fest zugeschlossenen Augenlidern heftig schreien, gewöhnlich nicht weinen, bis sie das Alter von zwei bis drei oder vier Monaten erreicht haben. Ihre Augen werden indeß schon in einem viel frühern Alter mit Thränen unterlaufen. Wie bereits bemerkt worden ist, möchte es scheinen, als kämen die Thränendrüsen aus Mangel an Übung oder aus irgend einer andern Ursache in einer sehr frühen Lebensperiode nicht zu einer völligen functionellen Thätigkeit. Bei Kindern in einem etwas vorgeschritteneren Alter ist das Aufschreien oder das Winseln in Folge irgend einer Kümmernis so regelmäßig von dem Thränenvergießen begleitet, daß Weinen und Schreien fast gleichbedeutende Ausdrücke geworden sind.[1]

Unter der Einwirkung der entgegengesetzten Gemüthsbewegung großer Freude oder großer Heiterkeit tritt, so lange das Lachen mäßig ist, kaum irgend welche Zusammenziehung der Muskeln rings um das Auge ein, so daß also auch kein Stirnrunzeln eintritt. Wenn aber lautschallendes Gelächter ausgestoßen wird mit schnellen und heftigen krampfhaften Exspirationen, dann strömen die Thränen das Gesicht herab. Ich habe mehr als einmal das Gesicht einer Person


  1. [d. h. im Englischen to weep und to cry.] Mr. Hensleigh Wedgwood (Diction. of English Etymology, Vol. I. 1859, p. 410) sagt: „das Zeitwort to weep kommt von dem Angelsächsischen wop, dessen ursprüngliche Bedeutung einfach Aufschreien ist.“
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/156&oldid=- (Version vom 31.7.2018)