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abgesondert haben würden wie in dem andern. Leichtes Lachen oder ein Lächeln oder selbst ein vergnüglicher Gedanke würden hingereicht haben, eine mäßige Thränenabsonderung zu verursachen. Es besteht allerdings eine offenbare Neigung in dieser Richtung, wie in einem späteren Capitel gezeigt werden wird, wo wir die zarteren Gefühle besprechen. Bei den Sandwich-Insulanern werden der Angabe Freycinet's zufolge[1] Thränen als ein Zeichen des Glückes angesehen. Wir würden aber doch noch bessere Beweise hierüber verlangen, als das Zeugnis eines vorübergehenden Reisenden. Wenn ferner Kinder unserer Rasse während vieler Generationen und jedes derselben während mehrerer Jahre beinahe täglich von lang anhaltenden Erstickungszufällen zu leiden gehabt hätten, während welcher die Gefäße des Auges ausgedehnt und Thränen reichlich abgesondert worden wären, dann ist es wahrscheinlich, — denn so groß ist die Kraft der associirten Gewohnheit, — daß während des späteren Lebens der bloße Gedanke an eine Erstickung ohne irgend welche trübe Stimmung des Geistes hingereicht haben würde, Thränen in unsere Augen zu bringen.

Um dieses Capitel zusammenzufassen: Das Weinen ist wahrscheinlich das Resultat irgend einer bestimmten Reihe von Ereignissen, wie etwa der folgenden. Wenn Kinder Nahrung verlangen oder in irgendwelcher Weise leiden, so schreien sie laut auf gleich den Jungen der meisten andern Thiere, zum Theil als ein Rufen nach ihren Eltern um Hülfe, zum Theil in Folge davon, daß jede große Anstrengung erleichternd wirkt. Lang anhaltendes Schreien führt unvermeidlich zur Überfüllung der Blutgefäße des Auges, und diese wird zuerst bewußterweise und endlich gewohnheitsgemäß zur Zusammenziehung der Muskeln rings um das Auge geführt haben, um dasselbe zu schützen. In derselben Zeit wird der krampfhafte Druck auf die Oberfläche des Auges und die Ausdehnung der Gefäße innerhalb derselben, ohne mit Nothwendigkeit eine bewußte Empfindung herbeizuführen, durch Reflexthätigkeit die Thränendrüsen afficirt haben. Endlich ist es durch die drei Principien, nämlich das Princip, daß Nervenkraft leicht gewohnten Canälen entlang ausströmt, das Princip der Association, welches in seiner Wirkungsweise sehr weit verbreitet ist, und daß gewisse Handlungen mehr unter der Controle des Willens stehen als andere, — dahin gekommen, daß ein Leiden leicht die Absonderung von Thränen


  1. citirt von Sir J. Lubbock, Prehistoric Times, 1865, p. 458.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/167&oldid=- (Version vom 31.7.2018)