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in starke Thätigkeit versetzt wurden. Dies gab ihr indeß durchaus nicht einen melancholischen Ausdruck des Gesichts wegen des Glanzes ihrer Augen.

Das Lachen wird häufig in einer gezwungenen Weise dazu angewendet, irgend einen andern Seelenzustand, selbst Zorn, zu verbergen oder zu maskiren. Wir sehen oft Personen lachen, um ihre Scham oder Schüchternheit zu verbergen. Wenn eine Person ihren Mund zusammenkneift, als wollte sie die Möglichkeit eines Lächelns verhüten, trotzdem nichts vorhanden ist, ein solches zu reizen, oder nichts, was den freien Genuß desselben verhindern könnte, so erhält das Gesicht einen affectirten, feierlichen oder pedantischen Ausdruck. Aber von solchen hybriden Ausdrucksformen braucht hier nichts weiter gesagt zu werden. Bei dem Verlachen wird ein wirkliches oder vorgegebenes Lächeln oder ein Lachen häufig mit dem Ausdrucke, welcher der Verachtung eigenthümlich ist, verschmolzen, und dies kann in zorniges Verachten oder Spott übergehen. In solchen Fällen ist die Bedeutung des Lachens oder des Lächelns die, der verletzenden Person zu zeigen, daß sie nur Erheiterung erregt.

Liebe, zärtliche Empfindungen u. s. w. — Obschon die Gemüthserregung der Liebe, z. B. der einer Mutter für ihre Kinder, eine der stärksten ist, deren die Seele fähig ist, so kann doch kaum gesagt werden, daß sie irgend ein eigenthümliches oder besonderes Mittel des Ausdrucks habe, und dies ist daraus verständlich, daß sie nicht gewohnheitsgemäß zu irgend einer speciellen Thätigkeitsrichtung geführt hat. Da ohne Zweifel Zuneigung eine Vergnügen erregende Empfindung ist, so verursacht sie allgemein ein leichtes Lächeln und etwas Erglänzen der Augen. Ganz allgemein wird eine starke Begierde empfunden, die geliebte Person zu berühren, und Liebe wird durch dieses Mittel deutlicher als durch irgend ein anderes ausgedrückt.[1] Wir verlangen daher darnach, diejenigen in unsere Arme zu schließen, welche wir zärtlich lieben. Wahrscheinlich verdanken wir diese Begierde vererbter Gewohnheit in Association mit dem Warten und Pflegen unserer Kinder und mit den gegenseitigen Liebkosungen Liebender.


  1. Mr. Bain bemerkt (Mental and Moral Science, 1868, p. 239): „Zärtlichkeit ist eine auf verschiedene Weise erregte, Vergnügen gewährende Gemüthsbewegung, welche dazu drängt, die menschlichen Wesen in eine gegenseitige Umarmung zu ziehen.“
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/207&oldid=- (Version vom 31.7.2018)