Grundlage für eine Verallgemeinerung in Betreff der Ursachen oder des Ursprungs der verschiedenen Bewegungen des Ausdrucks darbietet. Bei der Beobachtung von Thieren sind wir weniger dem ausgesetzt, von unsrer Einbildung uns vorweg einnehmen zu lassen, und darüber können wir sicher sein, daß die Ausdrucksart der Thiere nicht conventionell ist.
Die Beobachtung des Ausdrucks ist aus den oben erwähnten Gründen durchaus nicht leicht, was auch viele Personen, die ich gebeten habe gewisse Punkte zu beobachten, sehr bald gefunden haben. Diese Gründe sind einmal: die flüchtige Natur mancher Ausdrucksformen — der Umstand, daß die Veränderungen in den Gesichtszügen häufig äußerst gering sind, — daß unsre Sympathie leicht erweckt wird, wenn wir irgend eine starke Erregung der Seele vor uns sehn, wodurch unsre Aufmerksamkeit abgezogen wird, — daß uns unsere Einbildungskraft täuscht, indem wir in einer unbestimmten Weise wissen, was etwa zu erwarten ist, trotzdem sicherlich nur wenige von uns wissen, worin die eigentlichen Veränderungen in dem Ausdrucke genau bestehn, — und endlich selbst unsre lange Vertrautheit mit dem Gegenstande: alle diese Gründe wirken vereint. Es ist demzufolge schwer mit Sicherheit zu bestimmen, welches die Bewegungen der Gesichtszüge und des Körpers sind, die gewöhnlich gewisse Seelenzustände characterisiren. Nichtsdestoweniger sind doch, wie ich hoffe, einige dieser Zweifel beseitigt worden und zwar einmal durch die Beobachtung kleiner Kinder, der Irren, der verschiedenen Menschenrassen, der Kunstwerke und endlich der Gesichtsmuskeln, wie diese unter der Wirkung des Galvanismus in Dr. Duchenne's Versuchen erscheinen.
Es bleibt aber noch immer die viel bedeutendere Schwierigkeit übrig, nämlich die Ursache oder den Ursprung der verschiedenen Ausdrucksformen einzusehn und zu beurtheilen, ob irgend eine theoretische Erklärung zuverlässig ist. Außer dem Versuche, mit unserm Verstande, so gut als wir nur ohne Hülfe irgend welcher Regeln es können, zu beurtheilen, welche von zwei oder mehr Erklärungen die zufriedenstellendste ist, oder ob beide völlig unbefriedigend sind, sehe ich nur einen Weg, unsre Schlußfolgerungen zu prüfen. Der selbe besteht darin, daß wir beobachten, ob dasselbe Princip, durch welches dem Anscheine nach die eine Ausdrucksform erklärt werden
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)