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gleichfalls, daß wir uns nicht bloß der Existenz eines Theiles bewußt werden, welcher concentrirter Aufmerksamkeit unterworfen wird, sondern wir empfinden in demselben Theile auch verschiedene merkwürdige Gefühle, wie das der Schwere, der Hitze, Kälte, Prickeln oder Stechen.[1]

Endlich behaupten manche Physiologen, daß der Geist die Ernährung der Theile beeinflussen könne. Sir J. Paget hat einen merkwürdigen Fall der Gewalt allerdings nicht des Geistes, sondern des Nervensystems über das Haar mitgetheilt. Eine Dame, „welche Anfälle von Kopfschmerzen hat, die man nervöses Kopfweh nennt, findet immer am Morgen nach einem solchen, daß einige Stellen ihres Haares weiß sind, als wären sie mit Stärke gepudert. Die Veränderung wird in einer Nacht bewirkt, und in wenig Tagen später erhalten die Haare allmählich ihre dunkel bräunliche Färbung wieder“.[2]

Wir sehen hieraus, daß eingehende Aufmerksamkeit sicherlich verschiedene Theile und Organe afficirt, welche nicht eigentlich unter der Controle des Willens stehen. Durch welche Mittel Aufmerksamkeit — vielleicht die wunderbarste aller wunderbaren Kräfte der Seele — bewirkt wird, ist ein äußerst dunkler Gegenstand. Der Angabe Johannes Müller's zufolge[3] ist der Proceß, durch welchen die empfindenden Zellen des Gehirns durch den Willen für das Erhalten intensiverer und deutlicherer Eindrücke empfindlich gemacht werden, dem sehr analog, durch welchen die Bewegungszellen dazu gereizt werden, Nervenkraft an willkürliche Muskeln zu senden. Es finden sich viele analoge Punkte in der Thätigkeit der empfindenden und bewegenden Nervenzellen, z. B. die allgemein bekannte Thatsache, daß nahe Aufmerksamkeit auf irgend einen Sinn Ermüdung verursacht, ebenso wie die länger andauernde Anstrengung irgend eines Muskels[4]. Wenn wir daher willkürlich unsere Aufmerksamkeit auf irgend einen Theil des Körpers concentriren, so werden wahrscheinlich die Zellen


  1. Chapters on Mental Physiology, 1858, p. 91—93.
  2. Lectures on Surgical Pathology, 3. edit. revised by Prof. Turner, 1870, p. 28, 31.
  3. Handbuch der Physiologie des Menschen, Bd. 2, 1840, S. 97.
  4. Professor Laycock hat diesen Punkt in einer sehr interessanten Art erörtert. Siehe seine „Nervous Diseases of Women“, 1840, p. 110.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/333&oldid=- (Version vom 31.7.2018)