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Gewohnheit in’s Spiel; es ist wenigstens sehr zweifelhaft, ob Frauen es auch so machen würden.

Reflexthätigkeiten. — Reflexbewegungen im strengen Sinne des Ausdrucks sind Folgen der Erregung eines peripherischen Nerven, welcher seinen Einfluß gewissen Nervenzellen überliefert, worauf dann diese ihrerseits wieder gewisse Muskeln oder Drüsen zur Thätigkeit anregen; und alles dies kann ohne irgend eine Empfindung oder ein Bewußtwerden unsrerseits stattfinden, obschon es oft hiervon begleitet wird. Da viele Reflexthätigkeiten für den Ausdruck von hoher Bedeutung sind, so muß der Gegenstand hier mit etwas Ausführlichkeit besprochen werden. Wir werden auch sehen, daß etliche derselben in Handlungen übergehen oder kaum von solchen unterschieden werden können, welche durch Gewohnheit erworben worden sind.[1] Husten und Niesen sind geläufige Beispiele von Reflexthätigkeiten. Bei kleinen Kindern ist der erste Act der Athmung häufig ein Niesen, obschon dies die coordinirte Bewegung zahlreicher Muskeln erfordert. Das Athemholen ist zum Theil willkürlich, aber hauptsächlich eine Reflexbewegung und wird in der natürlichsten und besten Art und Weise ohne das Hinzutreten des Willens ausgeführt. Eine sehr große Zahl complicirter Bewegungen sind reflectorisch. Ein Beispiel, wie es kaum besser gegeben werden kann, ist das oft angeführte von einem enthaupteten Frosche, welcher natürlich nicht fühlen und keine Bewegung mit Bewußtsein ausführen kann. Bringt man aber einen Tropfen Säure auf die innere Oberfläche des Schenkels bei einem Frosche in diesem Zustande, so reibt er den Tropfen mit der obern Fläche des Fußes derselben Seite wieder ab. Wird dieser Fuß abgeschnitten, so kann er diese Handlung nicht ausführen. „Nach einigen fruchtlosen Anstrengungen gibt er daher den Versuch auf diese Weise auf, erscheint unruhig, als ob er, wie Pflüger sagt, irgend eine andre Weise aufsuchte, und schließlich gebraucht er den Fuß der andern Seite; und dadurch gelingt es ihm, die Säure wegzureiben. Offenbar


  1. Professor Huxley bemerkt (Grundzüge der Physiologie etc. von Rosenthal, 1871, S. 289), daß die dem Rückenmarke eigenen Reflexthätigkeiten natürliche sind, daß wir aber mit Hülfe des Gehirnes, das heißt also durch Gewohnheit, eine Unzahl künstlicher Reflexthätigkeiten erlangen können. Virchow nimmt an (Sammlung wissenschaftl. Vorträge u. s. w. Über das Rückenmark, 1871, S. 24, 31), daß einige Reflexbewegungen kaum von Instincten unterschieden werden können; und in Bezug auf letztere kann hinzugefügt werden, daß einige von ihnen wiederum nicht von vererbten Gewohnheiten unterschieden werden können.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/38&oldid=- (Version vom 31.7.2018)