vorübergehende Erregung verrathen. Ferner sind die Drüsen gänzlich vom Willen unabhängig, und ein an Kummer leidender Mensch kann wohl seine Gesichtszüge beherrschen, kann aber nicht immer verhindern, daß ihm die Thränen in die Augen kommen. Wenn verlockende Nahrung vor einen hungrigen Menschen hingestellt wird, so kann er wohl seinen Hunger durch keine äußerliche Geberde zu erkennen geben, er kann aber die Absonderung des Speichels in seinem Munde nicht unterdrücken.
Bei übergroßer Freude oder sehr lebendigem Vergnügen ist eine starke Neigung zu verschiedenen zwecklosen Bewegungen und zu Äußerung verschiedener Laute vorhanden. Wir sehen dies an unsern kleinen Kindern in ihrem lauten Lachen, dem Zusammenschlagen der Hände und dem Hüpfen vor Freude, in dem Springen und Bellen eines Hundes, wenn er mit seinem Herrn ausgehen will, und in den muntern Sprüngen eines Pferdes, wenn es auf ein offenes Feld gelassen wird. Freude beschleunigt die Circulation und diese reizt wieder das Gehirn, welches umgekehrt auf den ganzen Körper zurückwirkt. Die eben erwähnten zwecklosen Bewegungen und die vermehrte Herzthätigkeit können zum hauptsächlichsten Theil auf den erregten Zustand des Sensoriums[1] und auf den davon abhängigen, nicht geleiteten Überschuß von Nervenkraft bezogen werden, wie Mr. Herbert Spencer behauptet. Es verdient Beachtung, daß hauptsächlich das Vorausempfinden eines Vergnügens und nicht sein wirklicher Genuß es ist, welches zu zwecklosen und extravaganten Bewegungen des Körpers und zum Ausstoßen verschiedener Laute führt. Wir sehen dies an
- ↑ Wie mächtig heftige Freude das Gehirn erregt und wie das Gehirn auf den Körper zurückwirkt, zeigt sich sehr deutlich in den seltenen Fällen sogenannter psychischer Intoxicationen. Dr. J. Crichton Browne erzählt (Medical Mirror, 1865) den Fall von einem jungen Menschen eines stark nervösen Temperaments, welcher beim Empfang eines Telegramms mit der Nachricht, daß er ein Vermögen geerbt habe, zuerst blaß, dann heiter und bald ganz ausgelassen, aber erhitzt und ruhelos wurde. Er machte dann mit einem Freunde einen Spaziergang, um sich zu beruhigen, kehrte aber mit stolperndem Gange, ausgelassen laut lachend, reizbarer Stimmung, beständig sprechend und laut in den Straßen singend zurück. Es wurde ganz positiv ermittelt, daß er kein spirituöses Getränk berührt hatte, obschon ihn Jedermann für betrunken hielt. Nach einer Zeit trat Erbrechen ein; der halbverdaute Mageninhalt wurde untersucht; es ließ sich aber auch hier kein Geruch von Alkohol nachweisen. Er fiel dann in tiefen Schlaf und war beim Erwachen gesund, ausgenommen, daß er über Kopfschmerzen, Übelkeit und Kraftlosigkeit klagte.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)