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wird, so blöcken die Mutterschafe unaufhörlich nach ihren Lämmern und die wechselseitige Freude beim Zusammenkommen drückt sich ganz deutlich aus. Wehe dem Menschen, welcher sich mit den Jungen der größeren und furchtbareren Raubthiere zu schaffen macht, wenn diese das Angstgeschrei ihrer Jungen hören. Wuth führt zur heftigen Anstrengung aller Muskeln mit Einschluß derer der Stimme; und einige Thiere versuchen, wenn sie in Wuth gerathen sind, ihre Feinde durch deren Kraft und Wildheit in Schrecken zu versetzen, wie es der Löwe durch Brüllen und der Hund durch Knurren thut. Ich glaube deshalb, daß ihr Zweck hierbei der ist, Schrecken einzujagen, weil zu gleicher Zeit der Löwe sein Mähnenhaar, der Hund das Haar seinem Rücken entlang aufrichtet und sie sich dadurch so groß und so schrecklich aussehend machen wie nur möglich. Rivalisirende Männchen versuchen durch ihre Stimmen sich einander zu überbieten und einander herauszufordern; und dies führt zu Kämpfen auf Tod und Leben. Hierdurch wird der Gebrauch der Stimme mit der Erregung des Zorns, auf welche Weise er auch veranlaßt worden sein mag, associirt worden sein. Wir haben auch gesehen, daß intensive Schmerzen gleich der Wuth zu heftigem Aufschreien führen; die Anstrengung des Schreies gibt an und für sich etwas Erleichterung. Hierdurch wird der Gebrauch der Stimme mit Leiden jedweder Art associirt worden sein.

Die Ursache, warum sehr verschiedene Laute bei verschiedenen Gemüthsbewegungen und Empfindungen geäußert werden, ist ein sehr dunkler Gegenstand. Auch gilt die Regel nicht immer, daß irgend eine ausgesprochene Verschiedenheit besteht. So weicht z. B. beim Hunde das Bellen vor Zorn nicht sehr von dem Bellen vor Freude ab, obschon beide unterschieden werden können. Es ist nicht wahrscheinlich, daß irgend eine genaue Erklärung der Ursache oder der Quelle jedes besonderen Lautes unter verschiedenen Seelenzuständen jemals gegeben werden wird. Wir wissen, daß einige Thiere, nachdem sie domesticirt worden sind, die Gewohnheit erlangt haben, Laute auszustoßen, die ihnen nicht natürlich waren.[1] So haben domesticirte Hunde und selbst gezähmte Schakals zu bellen gelernt, was ein Laut ist, der keiner Species der Gattung eigen ist, mit Ausnahme


  1. s. die Belege hierüber in meinem „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ 2. Aufl. Bd. I. S. 29. Über das Girren der Tauben ebenda, Bd. I. S. 172.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)