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bemerkt wurde, das Bellen vor Zorn und das vor Freude Laute, welche durchaus nicht in Gegensatz zu einander stehn; dasselbe gilt auch für einige andere Fälle.

Es findet sich dabei noch ein anderer dunkler Punkt, nämlich, ob die unter verschiedenen Zuständen der Seele hervorgebrachten Laute die Form des Mundes bestimmen oder ob die Form desselben nicht von unabhängigen Ursachen bestimmt und der Laut dadurch modificirt wird. Wenn ganz junge Kinder schreien, so öffnen sie ihren Mund weit, und dies ist ohne Zweifel nothwendig, um einen starken vollen Laut auszustoßen; der Mund nimmt aber dann aus einer völlig verschiedenen Ursache eine fast viereckige Gestalt an, welche, wie später erklärt werden wird, von dem festen Schließen der Augenlider und dem daraus folgenden Heraufziehen der Oberlippe abhängt. In wie weit diese viereckige Form des Mundes den klagenden oder weinenden Laut modificirt, bin ich nicht vorbereitet zu sagen; wir wissen aber aus den Untersuchungen von Helmholtz und Andern, daß die Form der Mundhöhle und der Lippen die Natur und die Höhe der hervorgebrachten Vocallaute bestimmt.

In einem spätern Capitel wird auch gezeigt werden, daß bei den Gefühlen der Verachtung oder des Abscheus aus erklärlichen Gründen eine Neigung vorhanden ist, durch die Mundhöhle oder Nasenlöcher hinaus zu blasen, und dies ruft einen Laut hervor wie „Puh“ oder „Pish“. Wenn irgend Jemand erschreckt oder plötzlich in Erstaunen versetzt wird, so tritt, gleicherweise aus einer erklärlichen Ursache, nämlich um für eine längere Anstrengung vorbereitet zu sein, eine augenblickliche Neigung ein, den Mund weit zu öffnen, wie um eine tiefe und schnelle Inspiration auszuführen. Wenn die nächste volle Ausathmung erfolgt, so wird der Mund leicht geschlossen und, aus später zu erörternden Ursachen, die Lippen vorgestreckt; nach Helmholtz bringt aber diese Form des Mundes, wenn die Stimme überhaupt nur zum Tönen gebracht wird, den Laut des Vocals O hervor. Sicherlich kann man einen tiefen Laut eines langen Oh! von einer ganzen Menge Menschen unmittelbar nach dem Erleben irgend eines staunenerregenden Ereignisses hören. Wenn in Verbindung mit Überraschung Schmerz gefühlt wird, dann tritt eine Neigung ein, alle Muskeln des Körpers, mit Einschluß derer des Gesichts, zusammenzuziehen und dann werden die Lippen zurückgezogen; dies dürfte es vielleicht erklären, daß dann der Ton höher wird und den Character

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/90&oldid=- (Version vom 31.7.2018)