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anziehend für alle seine Hennen gewesen ist. Ich kann hier nicht in die nothwendigen Einzelnheiten eingehen; wenn jedoch der Mensch im Stande ist, seinen Bantam-Hühnern in kurzer Zeit eine elegante Haltung und Schönheit je nach seinen Begriffen von Schönheit, zu geben, so kann ich keinen genügenden Grund zum Zweifel finden, daß weibliche Vögel, indem sie tausende von Generationen hindurch den melodiereichsten oder schönsten Männchen, je nach ihren Begriffen von Schönheit, bei der Wahl den Vorzug geben, nicht ebenfalls einen merklichen Effect bewirken können. Einige wohlbekannte Gesetze in Betreff des Gefieders männlicher und weiblicher Vögel im Vergleich zu dem der jungen lassen sich zum Theil daraus erklären, daß die geschlechtliche Zuchtwahl auf Abänderungen wirkt, welche in verschiedenen Altersstufen auftreten und auf die Männchen allein oder auf beide Geschlechter in entsprechendem Alter vererbt werden. Ich habe aber hier keinen Raum, weiter auf diesen Gegenstand einzugehen.

Wenn daher Männchen und Weibchen einer Thierart die nämliche allgemeine Lebensweise haben, aber in Bau, Farbe oder Schmuck von einander abweichen, so sind nach meiner Meinung diese Verschiedenheiten hauptsächlich durch die geschlechtliche Zuchtwahl verursacht worden; d. h. individuelle Männchen haben in aufeinanderfolgenden Generationen einige kleine Vortheile über andere Männchen gehabt in ihren Waffen, Vertheidigungsmitteln oder Reizen und haben diese Vortheile allein auf ihre männlichen Nachkommen übertragen. Doch möchte ich nicht alle solche Geschlechtsverschiedenheiten aus dieser Quelle ableiten; denn wir sehen bei unsern domesticirten Thieren Eigenthümlichkeiten entstehen und auf das männliche Geschlecht beschränkt werden, welche augenscheinlich nicht durch die Zuchtwahl des Menschen verstärkt worden sind. Der Haarbüschel auf der Brust des Puterhahns kann ihm von keinem Nutzen sein und es ist zweifelhaft ob er für die Augen des Weibchens für ornamental gilt; – und wirklich, hätte sich dieser Büschel erst im Zustande der Zähmung gebildet, er würde eine Monstrosität genannt worden sein.


Erläuterung der Wirkungsweise der natürlichen Zuchtwahl oder des Überlebens des Passendsten.

Um klar zu machen, wie nach meiner Meinung die natürliche Zuchtwahl wirke, muß ich um die Erlaubnis bitten, ein oder zwei erdachte Beispiele zur Erläuterung zu geben. Denken wir uns zunächst einen

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/117&oldid=- (Version vom 31.7.2018)