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vermuthen Ursache, daß bei allen Pflanzen und bei allen Thieren von Zeit zu Zeit Kreuzungen erfolgen; – und wenn dies auch nur nach langen Zwischenräumen wieder einmal erfolgt, so werden die hierbei erzielten Abkömmlinge die durch lange Selbstbefruchtung erzielte Nachkommenschaft an Stärke und Fruchtbarkeit so sehr übertreffen, daß sie mehr Aussicht haben dieselben zu überleben und sich fortzupflanzen; und so wird auf die Länge der Einfluß der wenn auch nur seltenen Kreuzungen doch groß sein. In Bezug auf organische Wesen, welche äußerst niedrig auf der Stufenleiter stehen, welche sich nicht geschlechtlich fortpflanzen und nicht conjugiren, welche sich also unmöglich kreuzen können, ist zu bemerken, daß bei ihnen eine Gleichförmigkeit des Characters, so lange ihre äußeren Lebensbedingungen die nämlichen bleiben, nur in Folge der Vererbung und in Folge der natürlichen Zuchtwahl, welche jede zufällige Abweichung von dem eigenen Typus immer wieder zerstört, erhalten werden kann. Wenn aber die Lebensbedingungen sich ändern und jene Wesen Abänderungen erleiden, so kann ihre hiernach abgeänderte Nachkommenschaft nur dadurch Einförmigkeit des Characters behaupten, daß natürliche Zuchtwahl ähnliche vortheilhafte Abänderungen erhält.

Auch die Isolirung ist ein wichtiges Element bei der durch natürliche Zuchtwahl bewirkten Veränderung der Arten. In einem umgrenzten oder isolirten Gebiete werden, wenn es nicht sehr groß ist, die organischen wie die unorganischen Lebensbedingungen gewöhnlich beinahe einförmig sein; so daß die natürliche Zuchtwahl streben wird, alle veränderlichen Individuen einer und derselben Art in gleicher Weise zu modificiren. Auch Kreuzungen mit solchen Individuen derselben Art, welche die den Bezirk umgrenzenden Gegenden bewohnen, werden hier verhindert. Moritz Wagner hat vor kurzem einen interessanten Aufsatz über diesen Gegenstand veröffentlicht und gezeigt, daß der in Bezug auf das Verhindern von Kreuzungen zwischen neu gebildeten Varietäten durch Isolirung geleistete Dienst wahrscheinlich selbst noch größer ist, als ich angenommen hatte. Aber aus bereits angeführten Gründen kann ich darin mit diesem Naturforscher durchaus nicht übereinstimmen, daß Wanderungen und Isolirung zur Bildung neuer Arten nothwendige Momente seien. Die Bedeutung der Isolirung ist aber ferner insofern groß, als sie nach irgend einem physikalischen Wechsel im Clima, in der Höhe des Landes u. s. w. die Einwanderung besser passender Organismen hindert; es bleiben daher die neuen Stellen

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/132&oldid=- (Version vom 31.7.2018)