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Streifen ist von keiner Veränderung der Form und von keinem anderen neuen Character begleitet. Wir sehen diese Neigung, streifig zu werden, sich am meisten bei Bastarden zwischen mehreren der von einander verschiedensten Arten entwickeln. Vergleichen wir nun damit den vorhergehenden Fall von den verschiedenen Rassen der Tauben: sie rühren von einer Stammart (mit 2–3 geographischen Varietäten oder Unterarten) her, welche bläulich von Farbe und mit einigen bestimmten Bändern und anderen Zeichnungen versehen ist; und wenn eine ihrer Rassen in Folge einfacher Abänderung wieder einmal eine bläuliche Färbung annimmt, so erscheinen unfehlbar auch jene Bänder und anderen Zeichnungen der Stammform wieder, doch ohne irgend eine andere Veränderung der Form und des Characters. Wenn man die ältesten und echtesten Arten von verschiedener Farbe mit einander kreuzt, so tritt in den Blendlingen eine starke Neigung hervor, die ursprüngliche schieferblaue Farbe mit den schwarzen und weißen Binden und Streifen wieder anzunehmen. Ich habe behauptet, die wahrscheinlichste Hypothese zur Erklärung des Wiedererscheinens sehr alter Charactere sei die Annahme einer „Tendenz“, in den Jungen einer jeden neuen Generation den längst verlorenen Character wieder hervorzuholen, welche Tendenz in Folge unbekannter Ursachen zuweilen zum Durchbruch komme. Und wir haben soeben gesehen, daß in verschiedenen Arten der Pferdegattung die Streifen bei den Jungen deutlicher sind oder gewöhnlicher auftreten als bei den Alten. Man nenne nun die Taubenrassen, deren einige schon Jahrhunderte lang sich echt erhalten haben, Species, und die Erscheinung wäre genau dieselbe, wie bei den Arten der Pferdegattung. Ich für meinen Theil wage getrost über tausende und tausende von Generationen rückwärts zu schauen und sehe ein Thier, wie ein Zebra gestreift, aber sonst vielleicht sehr abweichend davon gebaut, den gemeinsamen Stammvater unseres domesticirten Pferdes (rühre es nun von einem oder von mehreren wilden Stämmen her), des Esels, des Hemionus, des Quaggas und des Zebras.

Wer an die unabhängige Erschaffung der einzelnen Pferdespecies glaubt, wird vermuthlich sagen, daß einer jeden Art die Neigung im freien wie im domestirten Zustande auf so eigenthümliche Weise zu variiren anerschaffen worden sei, derzufolge sie oft wie andere Arten derselben Gattung gestreift erscheine; und daß einer jeden derselben eine starke Neigung anerschaffen sei, bei einer Kreuzung mit Arten

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/199&oldid=- (Version vom 31.7.2018)