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Löcher in die Eier zu picken, mögen es Eier ihrer eigenen Species oder solche ihrer Pflegeeltern sein, die sie in den angeeigneten Nestern finden. Sie lassen auch viele Eier auf den nackten Boden fallen, welche demzufolge verwüstet werden. Eine dritte Art, der Molothrus pecoris, in Nord-America, hat vollkommen die Instincte des Kuckucks erlangt, denn er legt niemals mehr als ein Ei in ein Pflegenest, so daß der junge Vogel sicher aufgezogen wird. Mr. Hudson ist entschieden ungläubig der Entwickelungstheorie gegenüber; er scheint aber durch die unvollkommenen Instincte des Molothrus bonariensis so sehr frappirt worden zu sein, daß er meine Worte citirt und fragt: „Müssen wir nicht diese Gewohnheiten nicht etwa als specielle Begabungen oder anerschaffene Instincte, sondern vielmehr als kleine Folgen eines allgemeinen Gesetzes, nämlich des Übergangs, betrachten!“

Verschiedene Vögel legen, wie bereits bemerkt wurde, gelegentlich ihre Eier in fremder Vögel Nester. Dieser Brauch ist unter den hühnerartigen Vögeln nicht ganz ungewöhnlich, und wirft etwas Licht auf die Entstehung des gewöhnlichen Instinctes der straußartigen Vögel. Mehrere Straußhennen vereinigen sich hier und legen zuerst einige wenige Eier in ein Nest und dann in ein anderes; und diese werden von den Männchen ausgebrütet. Man wird zur Erklärung dieser Gewohnheiten wahrscheinlich die Thatsache mit in Betracht ziehen können, daß diese Hennen eine große Anzahl von Eiern und zwar wie beim Kuckuck in Zwischenräumen von zwei bis drei Tagen legen. Jedoch ist dieser Instinct beim americanischen Strauße wie bei dem Molothrus bonariensis noch nicht vollkommen entwickelt; denn es liegt dort auch noch eine so erstaunliche Menge von Eiern über die Ebene zerstreut, daß ich auf der Jagd an einem Tage nicht weniger als zwanzig verlassene und verdorbene Eier aufzusammeln im Stande war.

Manche Bienen schmarotzen und legen ihre Eier regelmäßig in Nester anderer Bienenarten. Dies ist noch merkwürdiger als beim Kuckuck; denn diese Bienen haben nicht allein ihren Instinct, sondern auch ihren Bau in Übereinstimmung mit ihrer parasitischen Lebensweise geändert; sie besitzen nämlich die Vorrichtung zur Einsammlung des Pollens nicht, deren sie unumgänglich bedürften, wenn sie Nahrung für ihre eigene Brut vorräthig aufhäufen müßten. Einige Arten von Sphegiden (wespenartigen Insecten) schmarotzen bei andern Arten, und Fabre hat kürzlich Gründe nachgewiesen, zu glauben,

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/311&oldid=- (Version vom 31.7.2018)