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hohem Grade wirksam erweisen könne, hätte mich nicht der Fall von diesen geschlechtslosen Insecten von der Thatsache überzeugt. Ich habe deshalb auch diesen Gegenstand mit etwas größerer, obwohl noch ganz ungenügender Ausführlichkeit abgehandelt, um daran die Macht natürlicher Zuchtwahl zu zeigen und weil er in der That die ernsteste specielle Schwierigkeit für meine Theorie darbietet. Auch ist der Fall darum sehr interessant, weil er zeigt, daß sowohl bei Thieren als bei Pflanzen jeder Betrag von Abänderung in der Structur durch Häufung vieler kleinen und anscheinend zufälligen Abweichungen von irgend welcher Nützlichkeit, ohne alle Unterstützung durch Übung und Gewohnheit, bewirkt werden kann. Denn eigenthümliche, auf die Arbeiter und unfruchtbaren Weibchen beschränkte Gewohnheiten vermöchten doch, wie lange sie auch bestanden haben möchten, die Männchen und fruchtbaren Weibchen, welche allein die Nachkommenschaft liefern, nicht zu beeinflussen. Ich bin erstaunt, daß noch Niemand den lehrreichen Fall der geschlechtslosen Insecten der wohlbekannten Lehre Lamarck’s von den ererbten Gewohnheiten entgegengesetzt hat.


Zusammenfassung.

Ich habe in diesem Capitel kurz zu zeigen versucht, daß die Geistesfähigkeiten unserer domesticirten Thiere abändern, und daß diese Abänderungen vererblich sind. Und in noch kürzerer Weise habe ich darzuthun gestrebt, daß Instincte im Naturzustande etwas abändern. Niemand wird bestreiten, daß Instincte von der höchsten Wichtigkeit für jedes Thier sind. Ich sehe daher keine Schwierigkeit, warum unter sich verändernden Lebensbedingungen natürliche Zuchtwahl nicht auch im Stande gewesen sein sollte, kleine Abänderungen des Instinctes in einer nützlichen Richtung bis zu jedem Betrage zu häufen. In vielen Fällen haben Gewohnheit oder Gebrauch und Nichtgebrauch wahrscheinlich mitgewirkt. Ich behaupte nicht, daß die in diesem Abschnitte mitgetheilten Thatsachen meine Theorie in einem irgend bedeutenden Grade stützen; doch ist nach meiner besten Überzeugung auch keine dieser Schwierigkeiten im Stande sie umzustoßen. Auf der andern Seite aber eignen sich die Thatsachen, daß Instincte nicht immer absolut vollkommen und selbst Irrungen unterworfen sind, – daß kein Instinct aufgeführt werden kann, welcher zum ausschließlichen Vortheil eines andern Thieres entwickelt ist, wenn auch Thiere von Instincten anderer Nutzen ziehen, – daß der naturhistorische

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/334&oldid=- (Version vom 31.7.2018)