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unbegriffen, daß ich wiederholt habe eine Verwunderung darüber äußern hören, daß so große Thiere wie das Mastodon und die älteren Dinosaurier haben untergehen können, als ob die bloße Körperstärke schon genüge um den Sieg im Kampfe um’s Dasein zu sichern. Im Gegentheile könnte gerade eine beträchtliche Größe, wie Owen bemerkt hat, in manchen Fällen des größeren Nahrungsbedarfes wegen das Erlöschen beschleunigen. Schon ehe der Mensch Ost-Indien und Africa bewohnte, muß irgend eine Ursache die fortdauernde Vervielfältigung der dort lebenden Elephantenarten gehemmt haben. Ein sehr fähiger Beurtheiler, Falconer, glaubt, daß es gegenwärtig hauptsächlich Insecten sind, die durch beständiges Beunruhigen und Schwächen die raschere Vermehrung der Elephanten hauptsächlich hemmen; dies war auch Bruce’s Schluß in Bezug auf den africanischen Elephanten in Abyssinien. Es ist gewiß, daß sowohl Insecten als auch blutsaugende Fledermäuse auf die Ausbreitung der in verschiedenen Theilen Süd-America’s eingeführten größern Säugethiere bestimmend einwirken.

Wir sehen in den neueren Tertiärbildungen viele Beispiele, daß Seltenwerden dem gänzlichen Verschwinden vorangeht, und wir wissen, daß dies der Fall bei denjenigen Thierarten gewesen ist, welche durch den Einfluß des Menschen örtlich oder überall von der Erde verschwunden sind. Ich will hier wiederholen, was ich im Jahr 1845 drucken ließ: Zugeben, daß Arten gewöhnlich selten werden, ehe sie erlöschen, und sich über das Seltenwerden einer Art nicht wundern, aber dann doch hoch erstaunen, wenn sie endlich zu Grunde geht, – heißt so ziemlich dasselbe, wie: Zugeben, daß bei Individuen Krankheit dem Tode vorangeht, und sich über das Erkranken eines Individuums nicht befremdet fühlen, aber sich wundern, wenn der kranke Mensch stirbt, und seinen Tod irgend einer unbekannten Gewaltthat zuschreiben.

Die Theorie der natürlichen Zuchtwahl beruht auf der Annahme, daß jede neue Varietät und zuletzt jede neue Art dadurch gebildet und erhalten worden ist, daß sie irgend einen Vortheil vor den concurrirenden Arten an sich habe, in Folge dessen die weniger begünstigten Arten fast unvermeidlich erlöschen. Es verhält sich ebenso mit unsern Culturerzeugnissen. Ist eine neue und unbedeutend vervollkommnete Varietät gebildet worden, so ersetzt sie anfangs die minder vollkommenen Varietäten in ihrer Umgebung; ist sie bedeutend verbessert, so breitet sie sich in Nähe und Ferne aus, wie es

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/416&oldid=- (Version vom 31.7.2018)