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Welt wechseln, hat die vortrefflichen Beobachter de Verneuil, und d’Archiac sehr frappirt. Nachdem sie auf den Parallelismus der paläozoischen Lebensformen in verschiedenen Theilen von Europa Bezug genommen haben, sagen sie weiter: „Wenden wir, überrascht durch diese merkwürdige Folgerung, unsere Aufmerksamkeit nun nach Nord-America, und entdecken wir dort eine Reihe analoger Thatsachen, so scheint es gewiß zu sein, daß alle diese Abänderungen der Arten, ihr Erlöschen und das Auftreten neuer, nicht bloßen Veränderungen in den Meeresströmungen oder anderen mehr oder weniger örtlichen und vorübergehenden Ursachen zugeschrieben werden können, sondern von allgemeinen Gesetzen abhängen, welche das ganze Thierreich beherrschen.“ Auch Barrande hat ähnliche Wahrnehmungen gemacht und nachdrücklich hervorgehoben. Es ist in der That ganz zwecklos, die Ursache dieser großen Veränderungen der Lebensformen auf der ganzen Erdoberfläche und unter den verschiedenen Climaten im Wechsel der Seeströmungen, des Clima’s oder anderer physikalischer Lebensbedingungen aufsuchen zu wollen; wir müssen uns, wie schon Barrande bemerkt, nach einem besonderen Gesetze dafür umsehen. Wir werden dies deutlicher erkennen, wenn von der gegenwärtigen Verbreitung der organischen Wesen die Rede sein wird; wir werden dann finden, wie gering die Beziehungen zwischen den physikalischen Lebensbedingungen verschiedener Länder und der Natur ihrer Bewohner sind.

Diese große Thatsache von der parallelen Aufeinanderfolge der Lebensformen auf der ganzen Erde ist aus der Theorie der natürlichen Zuchtwahl erklärbar. Neue Arten entstehen aus neuen Varietäten, welche einige Vorzüge vor älteren Formen voraus haben, und diejenigen Formen, welche bereits der Zahl nach vorherrschen oder irgend einen Vortheil vor andern Formen derselben Heimath voraus haben, werden natürlich die Entstehung der größten Anzahl neuer Varietäten oder beginnender Arten veranlassen. Wir finden einen bestimmten Beweis dafür darin, daß die herrschenden, d. h. in ihrer Heimath gemeinsten und am weitesten verbreiteten Pflanzenarten die größte Anzahl neuer Varietäten hervorbringen. Ebenso ist es natürlich, daß die herrschenden veränderlichen und weit verbreiteten Arten, die bis zu einem gewissen Grade bereits in die Gebiete anderer Arten eingedrungen sind, auch bessere Aussicht als andere zu noch weiterer Ausbreitung und zur Bildung fernerer Varietäten und Arten in neuen Gegenden haben. Dieser Vorgang der Ausbreitung mag oft ein sehr

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/421&oldid=- (Version vom 31.7.2018)