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untersanken, so hätten sie natürlich keine weiten Räume des Meeres durchschiffen können, mochten sie nun ihre Keimkraft im Salzwasser bewahren oder nicht. Nachher wählte ich größere Früchte, Samenkapseln u. s. w., und von diesen blieben einige eine lange Zeit schwimmen. Es ist wohl bekannt, wie verschieden die Schwimmfähigkeit einer Holzart im grünen und im trockenen Zustande ist. Es kam mir dabei der Gedanke, daß Hochwasser wohl häufig ausgetrocknete Pflanzen oder deren Zweige mit daran hängenden Samenkapseln oder Früchten in das Meer schwemmen könnten. Ich wurde dadurch veranlaßt, von 94 Pflanzenarten die Stengel und Zweige mit reifen Früchten daran zu trocknen und sie auf Meereswasser zu legen. Die Mehrzahl sank schnell unter, doch einige, welche grün nur sehr kurze Zeit an der Oberfläche geblieben waren, hielten sich getrocknet viel länger oben. So sanken z. B. reife Haselnüsse unmittelbar unter, schwammen aber, wenn sie vorher ausgetrocknet waren, 90 Tage lang und keimten dann noch, wenn sie gepflanzt wurden. Eine Spargelpflanze mit reifen Beeren schwamm 23 Tage, nach vorherigem Austrocknen aber 85 Tage, und ihre Samen keimten noch. Die reifen Früchte von Helosciadium sanken in zwei Tagen, schwammen aber nach vorgängigem Trocknen 90 Tage und keimten hierauf. Im Ganzen schwammen von den 94 getrockneten Pflanzen 18 Arten über 28 Tage lang und einige von diesen 18 sogar noch viel länger. Es keimten also 64/87 = 0,74 der Samenarten nach einer Eintauchung von 28 Tagen, und schwammen 18/94 = 0,19 der getrockneten Pflanzenarten mit reifen Samen (doch zum Theil andere Arten als die vorigen) noch über 28 Tage; es würden daher, so viel man aus diesen dürftigen Thatsachen schließen darf, die Samen von 0,14 der Pflanzenarten einer Gegend ohne Nachtheil für ihre Keimkraft 28 Tage lang von Meeresströmungen fortgetragen werden können. In Johnston’s physikalischem Atlas ist die mittlere Geschwindigkeit der atlantischen Ströme auf 33 Seemeilen pro Tag (manche laufen 60 Meilen weit) angegeben; nach diesem Durchschnitt könnten die Samen von 0,14 Pflanzen eines Gebiets 924 Seemeilen weit nach einem andern Lande fortgeführt werden und, wenn sie dann strandeten und vom Winde sofort auf eine passende Stelle weiter landeinwärts getrieben würden, noch keimen.

Nach mir stellte Martens ähnliche Versuche, doch in weit besserer Weise an, indem er Kistchen mit Samen in’s wirkliche Meer

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/454&oldid=- (Version vom 31.7.2018)