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jeder großen fossilführenden Formation ergibt sich als die Folge eines ungewöhnlichen Zusammentreffens von günstigen Umständen, und die leeren Pausen zwischen den aufeinanderfolgenden Ablagerungszeiten entsprechen Perioden von unermeßlicher Dauer. Doch werden wir im Stande sein, die Länge dieser Perioden einigermaßen durch die Vergleichung der vorhergehenden und nachfolgenden organischen Formen zu bemessen. Wir dürfen nach den Successionsgesetzen der organischen Wesen nur mit großer Vorsicht versuchen, zwei Formationen, welche nicht viele identische Arten enthalten, als genau gleichzeitig zu betrachten. Da die Arten in Folge langsam wirkender und noch fortdauender Ursachen und nicht durch wundervolle Schöpfungsacte entstanden und vergangen sind, und da die wichtigste aller Ursachen organischer Veränderung, – die Wechselbeziehungen zwischen Organismus zu Organismus, in deren Folge eine Verbesserung des einen die Verbesserung oder die Vertilgung des anderen bedingt, – fast unabhängig von der Veränderung und vielleicht plötzlichen Veränderung der physikalischen Bedingungen ist: so folgt daß der Grad der von einer Formation zur anderen stattgefundenen Abänderung der fossilen Wesen wahrscheinlich als ein guter Maßstab für die Länge der inzwischen abgelaufenen Zeit dienen kann. Eine Anzahl in Masse zusammenhaltender Arten jedoch dürfte lange Zeit unverändert fortleben können, während in der gleichen Zeit mehrere dieser Species, die in neue Gegenden auswandern und in Kampf mit neuen Concurrenten gerathen, Abänderung erfahren würden; daher dürfen wir die Genauigkeit dieses von den organischen Veränderungen entlehnten Zeitmaßes nicht überschätzen.

In einer fernen Zukunft sehe ich die Felder für noch weit wichtigere Untersuchungen sich öffnen. Die Psychologie wird sich mit Sicherheit auf den von Herbert Spencer bereits wohl begründeten Satz stützen, daß nothwendig jedes Vermögen und jede Fähigkeit des Geistes nur stufenweise erworben werden kann. Licht wird auf den Ursprung der Menschheit und ihre Geschichte fallen.

Schriftsteller ersten Rangs scheinen vollkommen von der Ansicht befriedigt zu sein, daß jede Art unabhängig erschaffen worden ist. Nach meiner Meinung stimmt es besser mit den der Materie vom Schöpfer eingeprägten Gesetzen überein, daß das Entstehen und Vergehen früherer und jetziger Bewohner der Erde durch secundäre Ursachen veranlaßt werde denjenigen gleich, welche die Geburt und

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 576. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/586&oldid=- (Version vom 31.7.2018)