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welche ich beginnende Arten genannt habe, sich zuletzt in gute und distincte Species verwandeln, welche in den meisten Fällen offenbar unter sich viel mehr, als die Varietäten der nämlichen Art verschieden sind? Wie entstehen diese Gruppen von Arten, welche das bilden, was man verschiedene Genera nennt und mehr als die Arten dieser Genera von einander abweichen? Alle diese Resultate folgen, wie wir im nächsten Abschnitte sehen werden, aus dem Kampfe um’s Dasein. In diesem Wettkampfe werden Abänderungen, wie gering und auf welche Weise immer sie entstanden sein mögen, wenn sie nur einigermaßen vortheilhaft für die Individuen einer Species sind, in deren unendlich verwickelten Beziehungen zu anderen organischen Wesen und zu den physikalischen Lebensbedingungen die Erhaltung solcher Individuen zu unterstützen und sich gewöhnlich auf deren Nachkommen zu übertragen neigen. Ebenso wird der Nachkömmling mehr Aussicht haben, leben zu bleiben; denn von den vielen Individuen dieser Art, welche von Zeit zu Zeit geboren werden, kann nur eine kleine Zahl am Leben bleiben. Ich habe dieses Princip, wodurch jede solche geringe, wenn nur nützliche Abänderung erhalten wird, mit dem Namen „natürliche Zuchtwahl“ belegt, um seine Beziehung zum Wahlvermögen des Menschen zu bezeichnen. Doch ist der oft von Herbert Spencer gebrauchte Ausdruck „Ueberleben des Passendsten“ zutreffender und zuweilen gleich bequem. Wir haben gesehen, daß der Mensch durch Auswahl zum Zwecke der Nachzucht, durch die Häufung kleiner, aber nützlicher Abweichungen, die ihm durch die Hand der Natur dargeboten werden, große Erfolge sicher zu erzielen und organische Wesen seinen eigenen Bedürfnissen anzupassen im Stande ist. Aber die natürliche Zuchtwahl ist, wie wir nachher sehen werden, eine unaufhörlich zur Thätigkeit bereite Kraft und des Menschen schwachen Bemühungen so unermeßlich überlegen, wie es die Werke der Natur überhaupt denen der Kunst sind.

Wir wollen nun den Kampf um’s Dasein etwas mehr im Einzelnen erörtern. In meinem späteren Werke über diesen Gegenstand soll er, wie er es verdient, in größerer Ausführlichkeit besprochen werden. Der ältere DeCandolle und Lyell haben des weiteren und in philosophischer Weise nachgewiesen, daß alle organischen Wesen im Verhältnisse einer harten Concurrenz zu einander stehen. In Bezug auf die Pflanzen hat Niemand diesen Gegenstand mit mehr Geist und Geschick behandelt als W. Herbert, der Dechant von Manchester,

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/89&oldid=- (Version vom 31.7.2018)