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die Stadt | erbaut ||
die Ruhe | auserwählt ||
der Tod | verborgen ||
der Hades | entflohen ||
die Vergänglichkeit | vergessen ||
die Schmerzen | vorüber || IV Esra 8,52f.
Unser Heiligtum | verwüstet ||
unser Altar | zerstört ||
unser Tempel | verwüstet ||
unser Gottesdienst | aufgehoben ||
unsere Jungfrauen | befleckt ||
unsere Weiber | vergewaltigt || 10,21f.

An solchen Stellen sind die rhythmischen Einheiten (Lang- und Kurzzeilen) in der nachfolgenden Übersetzung durch den Druck gekennzeichnet; die Beobachtung dieser rhythmischen Absätze, die auch im A. T. noch viel zu wenig geschieht, ist wie überall so auch im IV Esra für die Exegese nicht gleichgiltig; vgl. z. B. 7,39 ff. Doch ist zu beachten, daß in den hebräischen poetischen Texten die Zahl der Worte oder elementaren Sinnesgruppen nur durchschnittlich, nicht konstant dieselbe ist; ferner, daß die Prosa im Hebräischen und so auch im IV Esra leicht in Poesie und umgekehrt übergeht; schließlich, daß manche Stellen, in denen sich wohl ein gewisser Parallelismus findet, in denen aber nicht die im Hebräischen gewöhnlichen Zahlen der Wörter zu beobachten sind, nicht als eigentliche, streng gemessene Poesie, sondern nur als freiere Nachklänge der Poesie aufzufassen sind, so 5,23ff. 8,26ff. 7,119ff.132ff.

3. Litterarkritisches.

Bei den gegenwärtig vielfach herrschenden Methoden ist es nicht verwunderlich, daß man den komplizierten Charakter des IV Esra, der im Vorhergehenden besprochen und aus der Natur des Werks, organisch, erklärt worden ist, mechanisch, durch Streichungen und Teilungen, hat aus der Welt schaffen wollen. So hat Hilgenfeld, Messias Judaeorum, S. L ff., und Zeitschr. für wiss. Theol. 1876, S. 432 ff., wesentlich um die Wiederholungen wegzubringen, 7,45-115 streichen wollen; aber die immer erneute Aufnahme desselben Problems gehört gerade zur Eigenart des Verfassers. Mancherlei Unebenheiten, auf die Hilgenfeld hinweist (so, daß nach 4,35 die Seelen der Gerechten in ihren Kammern nach Lohn schreien, während sie nach 7,88-99 schon im Zwischenzustand einen Vorschmack der ewigen Freude genießen), sind ohne Weiteres zuzugeben; sie finden sich aber nicht nur in dem ausgeschiedenen Abschnitt, sondern in ganzen Buch und erklären sich meist aus der Aufnahme verschiedener Traditionen, z. T. auch, wie das eigentümliche Schwanken in der Betrachtung, die z. B. beim zweiten Problem bald die Menschen im Allgemeinen, bald das Volk Israel im Besonderen im Auge hat, aus der Gemütsart des Verfassers. — Neuerdings hat de Faye, Apocalypses juives (1892), S. 111, A. 1, in der dritten Vision eine Reihe von Stücken universalistischer Haltung bezeichnet, die unmöglich jüdischen Ursprungs, sondern christliche Einsätze sein müßten (7,45-74.102-115.127-8,19. 9,14-22). Daß diese Stücke für einen Juden unmöglich seien, möchte schwer zu beweisen sein; übrigens haben auch andere, nicht ausgeschiedene Stücke ähnliche Haltung, vgl. 7,37.78. 8,34f.41.43f. Die einzige christliche Glosse, die im lat. Text hervortritt, ist das „Jesus“ 7,28f. — Ebensowenig haltbar ist die Vermutung Ewalds, Geschichte des Volles Israel³ VII, S. 73, A. 1, daß die übermäßig lange dritte Vision ursprünglich aus zwei Visionen bestanden habe, und daß hinter 7,110f. einige Zeilen ausgefallen seien, die den Schluß des dritten und den Anfang eines vierten Abschnitts enthalten hätten. Aber wie will man das beweisen! Überdies wird durch diese Annahme die vom Verfasser doch wohl beabsichtigte

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Gunkel (Übersetzer): Das vierte Buch Esra. Mohr Siebeck, Tübingen 1900, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasVierteBuchEsraGermanGunkelKautzsch2.djvu/20&oldid=- (Version vom 30.6.2018)