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fand ich weit über zweihundert Bände. Das ist vielsagend. Zumal in allen diesen Büchern – fünfzig habe ich zur Probe durchgesehen! – gewisse Stellen angestrichen sind und zwar stets die, wo ein gewiegter Verbrecher seine „Fachgeheimnisse“ gleichsam preisgibt … – Und auf Grund dieser auffälligen Neigung Winters für Morde, Diebstähle, Betrügereien habe ich Fräulein Hilde, wie ich schon erwähnte, auf den Kopf zugesagt, daß ihr Vater an der fixen Idee litt, selbst ein Verbrecher größten Stils zu sein, … ein Kranker, der keine Verbrechen beging, aber solche vortäuschte, Herr Hubert, wie zum Beispiel die Morde, die keine Morde waren und bei denen Sie anscheinend die abgeschlachteten Opfer sahen … – Und weiter fragte ich Fräulein Hilde, ob sie nun mir gegenüber zugeben wolle, daß ihr Vater auch hier im Hause aus demselben traurigen Grunde Personen darstellte, Mieter vortäuschte, die es ebenfalls nicht gab, so den Rentner Garbrich, so den Gelehrten Fiedler und vorher noch zwei andere Männer, die angeblichen früheren Bewohner des ersten Stockes …“

Jetzt war’s an mir, aufrichtig zu rufen: „Herr Harst, das … das ist doch einfach unmöglich!“

„Nein, Herr Hubert, es ist Tatsache! Denn Fräulein Hilde wußte von alledem … Fräulein Hilde hat freilich nur zufällig gemerkt, daß diese vier Mieter ein und dieselbe Person waren – eben ihr Vater. Zufällig ist sie dahinter gekommen … Und hat umsonst ihren Vater angefleht, dies gewagte, zwecklose Spiel aufzugeben, hat auch vor einem halben Jahre erreicht, daß Winter … die beiden angeblichen Seeleute Grimm und Goster … verschwinden ließ, indem er auf diese dreifache Rolle als Winter, Grimm, Goster verzichtete … – Aber diese Besserung hielt nicht lange an … Er ließ neue Mieter auftauchen: Garbrich und Fiedler! – Armes Fräulein Hilde, was muß sie gelitten haben …!! Mit einem Manne zusammenzuhausen, der ihr Vater und der … ein Geistesgestörter war!! – Wenn

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Max Schraut: Das Kreuz auf der Stirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Kreuz_auf_der_Stirn.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)