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Seite:Das Relativitätsprinzip (Lehmann).djvu/15

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wird. Um nun während der Bewegung eine Vergleichung des Ganges vornehmen zu können, müssen etwa so, wie täglich vom Pariser Observatorium durch die Apparate für drahtlose Telegraphie um Mitternacht die richtige Zeit allen auf der See befindlichen Schiffen bis ca. 6000 Kilometer Entfernung durch besondere Zeichen mitgeteilt wird, Signale von nach gegeben werden, wobei natürlich zu berücksichtigen ist, daß diese Signale um die Zeit, welche die elektromagnetische Strahlung brauchte, um die Strecke zu durchlaufen, verspätet ankommen. Diese Strecke hat aber für den bewegten Beobachter eine größere Länge als für den ruhenden. Wenn also momentan zurücksignalisiert und die gleiche Korrektion berechnet, so wird dieser einen andern Wert derselben erhalten und folglich glauben, habe nicht die richtige Zeit; dessen Uhr gehe langsamer als die seinige. Man kann, wie man sieht, durch solche telegraphische und optische Signale wohl alle Uhren auf der bewegten Erde in übereinstimmenden Gang bringen, aber einem ruhenden Beobachter scheinen sie im Verhältnis langsamer zu gehen als die ruhenden Uhren.

Hat man zwei genau gleich gehende Uhren nebeneinander und bewegt nun die eine auf einer beliebigen Kurve bis wieder zur anderen zurück, welche Bewegung Sekunden gedauert haben möge, so geht sie gegen diese um oder annähernd Sekunden zu spät, weil sie während der Bewegung auf langsameren Gang reguliert werden mußte, um mit der ruhenden Uhr in Übereinstimmung zu bleiben.

Durch keinerlei optische Signale u. dgl. von einer ruhenden Station aus können wir dieses Langsamergehen der bewegten Uhren konstatieren, dies widerspräche eben dem Relativitätsprinzip, denn man könnte so die absolute Bewegung konstatieren.

Da nach diesem Prinzip überhaupt auch jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, absolute Bewegung zu definieren, entfällt vor allem die Existenz des Äthers vollständig, obschon noch 1902 der hervorragende Physiker Chwolson in seinem großen Lehrbuch der Physik schreiben konnte: »Die Wahrscheinlichkeit der Hypothese von der Existenz dieses einen Agens (des Äthers) grenzt außerordentlich nahe an Gewißheit«.

Empfohlene Zitierweise:
Otto Lehmann: Das Relativitätsprinzip der neue Fundamentalsatz der Physik. Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Karlsruhe, Bd. 23 (1909-1910), Karlsruhe 1911, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Relativit%C3%A4tsprinzip_(Lehmann).djvu/15&oldid=- (Version vom 10.8.2024)