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Seite:Das Relativitätsprinzip (Lehmann).djvu/6

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davon bei den physikalischen Erscheinungen gar nichts bemerkbar machen, sollte alles so verlaufen, als ob die Erde sich in absoluter Ruhe befände?

Galilei antwortet hierauf mit »Ja!«. Bewegungen stören sich gegenseitig nicht, jede erfolgt so, als ob die andere nicht vorhanden wäre (Parallelogramm der Geschwindigkeiten). Eben weil in der Bewegungsgleichung die Geschwindigkeit gar nicht vorkommt, sondern nur deren Änderung, ist der gleichmäßige Bewegungszustand der Erde (Translation, nicht die Rotation) ganz ohne Einfluß auf die mechanischen Erscheinungen. Durch sie können keine Kräfte geweckt werden. In der Tat bemerken wir auch in einem ruhig fahrenden Eisenbahnwagen trotz der Geschwindigkeit nichts von der Bewegung, nur wenn eine Kurve durchfahren oder plötzlich gebremst wird, macht sich die Trägheit unserer Masse deutlich bemerklich; ebenso die Rotation der Erde bei Foucaults Pendelversuch.

Dies ist das Galileische Relativitätsprinzip der Mechanik, welches so ausgesprochen werden kann: Es gibt keine mechanische Erscheinung, durch welche wir von gleichmäßiger absoluter Translationsbewegung im Raum Kenntnis erhalten könnten, wir können immer nur relative Bewegungen erfahren und messen. Sind die Koordinaten einer punktförmigen Masse in einem ruhenden Bezugssystem, dessen -Achse die Richtung der Bewegung hat, , so wären sie in einem sich stets mit der Geschwindigkeit bewegenden Bezugssystem zur Zeit Sekunden . Sind die Bewegungsgleichungen, welche die Kraftkomponenten für das ruhende System geben, bekannt, so können sie durch die angegebenen Beziehungen auf das bewegte System »transformiert« werden. Das Relativitätsprinzip sagt aus, daß sie durch solche »Galilei-Transformation« keine Änderung erfahren, es treten nur an Stelle von .

Zu dem Begriff »Kraft« gelangen wir durch die Empfindung der Muskelanstrengung, wenn wir einen Körper in Bewegung versetzen. Wir fühlen, daß unser Ich gemäß unserm Willen die Kraft ausübt; darum können wir jegliche Kraftwirkung nur begreifen, d. h. in Gedanken nachahmen, wenn wir das Agens kennen, welches die Kraft ausübt, den »Träger der Kraft«.

Empfohlene Zitierweise:
Otto Lehmann: Das Relativitätsprinzip der neue Fundamentalsatz der Physik. Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Karlsruhe, Bd. 23 (1909-1910), Karlsruhe 1911, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Relativit%C3%A4tsprinzip_(Lehmann).djvu/6&oldid=- (Version vom 10.8.2024)