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nicht sein! Um Sie hiervon zu überzeugen, sollen Sie meine Lebens- meine Leidensgeschichte erfahren. Schon damals in unserem holsteinischen Idyll hatte ich dieselbe für Sie niedergeschrieben. Und doch wagte ich es nicht, diese Blätter meinen Abschiedszeilen beizufügen. Ich fürchtete, daß Sie vielleicht den zur Rede stellen könnten, der gewisse gesetzliche Anrechte auf meine Person besitzt, daß ein Streit entstehen und Sie vielleicht meinetwegen in Ungelegenheiten geraten würden. Daß ich für den, den ich meinen Gatten nennen muß, nichts empfinde, werden Sie aus gewissen Andeutungen in unserer Unterhaltung herausgehört haben; auch weshalb unsere Ehe so schnell in Trümmer zusammenbrach und nur noch äußerlich aufrechterhalten wurde, dürften Sie ahnen. Heute werden Sie alles verstehen. Und alles verstehen heißt hier für Sie … alles entschuldigen, was ich tue, um Ihnen auszuweichen. Es ist ja doch nichts anderes als eine Flucht, diese meine plötzliche Abreise, – eine Flucht, die mir dadurch erleichtert wird, daß Rita Meinas heute gleichfalls auf eine dringende Nachricht hin nach Berlin verreisen mußte und zwar auf unbestimmte Zeit. – Soeben habe ich mich, wie mir leider zu spät einfällt, einer kleinen Indiskretion schuldig gemacht. Ich sollte Ritas Reiseziel nicht verraten. Daher – halten auch Sie das eine Wort „Berlin“, das ich nicht gern unleserlich machen möchte, was ja wie ein Mangel an Vertrauen aussehen könnte, geheim.

Und nun, lieber, einziger Freund – leben Sie wohl! Ich bin mit meiner Kraft zu Ende …

Ihre
Käti Deprouval.     
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Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/53&oldid=- (Version vom 31.7.2018)